Chambres séparées für hartnäckige Sünder

■ Mit einer Verfassungsbeschwerde will der Nichtraucherbund ein Schutzgesetz gegen den blauen Dunst erzwingen/ Die Nichtraucher fordern in Behörden, Theatern und Kinos ein Rauchverbot, in Restaurants und Kneipen getrennte Räume

Berlin. Glasklare Luft soll man in Cafés und Kneipen atmen können, wenn es nach den organisierten Nichtrauchern geht. Bläulich verqualmte Innenräume in Einrichtungen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, verletzen nämlich, so der Nichtraucherbund Berlin, das Recht der Bürger auf körperliche Unversehrtheit. Deshalb bereitet der Bundesverband der Nichtraucher-Initiativen jetzt eine Verfassungsbeschwerde vor.

Gestützt auf Artikel 2 des Grundgesetzes, will der Verband Schutzgesetze für seine Klientel erwirken. »Zwei Drittel der Bevölkerung sind dagegen wehrlos, daß sie permanent eingenebelt werden. Es muß ein Gesetz geben, das endlich mit der Benachteiligung der Nichtraucher Schluß macht«, sagt Verbandssprecher Werner Rottschky. Er plädiert für ein Rauchverbot in Behörden, Theatern und Kinos, »eben überall, wo Menschen zusammenkommen«. Einige Reservate wollen die Nichtraucher den Süchtigen zugestehen: »Die Restaurants müßten gesetzlich dazu verpflichtet werden, getrennte Räume für Raucher und Nichtraucher einzurichten«, so Rottschky.

Das »Chambre séparée«-Prinzip hält Sabine Kalkmann, Sprecherin der Hotel- und Gaststätten-Innung, allerdings für nicht praktikabel: »In Berlin gibt es sehr viele kleine Restaurants mit 40 oder 50 Sitzplätzen, wo man unmöglich eine Wand ziehen kann.« Sie fürchtet auch eine Zerstörung der Kneipenatmosphäre: »Man kann die Leute nicht einfach in zwei Kategorien einteilen.«

Strikte Trennung verlangt der Nichtraucherverband jedoch nicht nur in festen, sondern auch in beweglichen Innenräumen. »Die Bundesbahn sollte getrennte Raucher- und Nichtraucherwaggons einführen — im Moment atmet man auf beiden Seiten von der Plastikwand im Großraumwagen doch dieselbe Luft«, meint Rottschky. Auch dies wäre nur durch ein Bundesgesetz zu ändern, denn die Bahn ist — so Herbert Schlaak von der Kundenbetreuung — durch eine Vorschrift des Internationalen Eisenbahn-Verbands gebunden, die einen Raucher- und einen Nichtraucherbereich in jedem einzelnen Waggon vorsieht. Der Nichtraucherverband plädiert außerdem für eigene Raucher- und Nichtraucher-Maschinen bei der Lufthansa. »Das wäre nicht durchführbar«, meint dazu Wolfgang Weber, Pressesprecher der Lufthansa. Raucher-Maschinen könne man nicht einführen, da nur 30 Prozent der Passagiere sie buchen würden. Ein Gesetz, das Rauchen auf Inlandsflügen untersagt, würde die Lufthansa jedoch durchaus begrüßen. Die Gesellschaft wollte schon 1990 ein Rauchverbot einführen, »aber damals war die öffentliche Diskussion so aufgeheizt, daß wir mit Kontroversen an Bord der Flugzeuge rechnen mußten«, erklärt Weber.

Die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde schätzt der bekannte Berliner Anwalt Rainer Geulen insgesamt positiv ein. Zwar werde das Bundesverfassungsgericht die Klage wahrscheinlich erst einmal zurückweisen. »Wahrscheinlich wird das BVG aber trotzdem die Gründe der Nichtraucher akzeptieren und den Gesetzgeber anweisen, ihre Gefährdung innerhalb einer bestimmten Frist von Sachverständigen prüfen zu lassen — und dann auch für einen besseren Schutz zu sorgen«, meint Geulen. Solche Richtlinien für die Politik könnten dann die Grundlage für weitere politische Maßnahmen bilden, zum Beispiel eine weitere Erhöhung der Tabaksteuer oder ein Werbeverbot für Zigaretten. Miriam Hoffmeyer