Vorletztes Wort zur Parlamentsreform

■ SPD-Parteitag stellt sich hinter die Vorschläge der Enquete-Komission, aber abschreiben will man sie trotzdem nicht

stellt sich hinter die Vorschläge der Enquete-Kommission, aber abschreiben will man sie trotzdem nicht

Es war nicht der Tag zum Streiten. Die Genossen ließen die Debatte über die geplante Parlamentsreform über sich ergehen. Mehr Gemurmel als Aufmerksamkeit, kaum Gegenstimmen bei der Abstimmung. Die Delegierten fügten sich dem Leitantrag des Vorstands, sagten Ja zur Abschaffung des Feierabendparlaments, zur Unvereinbarkeit von Bürgerschaftsmandat und Tätigkeit im öffentlichen Dienst, zu mehr Rechten für die Opposition, zu Volksbegehren und Volksabstimmung und zur Schaffung von Wahlkreisen noch vor 1995. Parteitag der Hamburger SPD am Freitagabend in Wilhelmsburg, nur Stunden nach der Trauerfeier für die Opfer von Mölln.

Sollte man sich an diesem Tag gegen die Beschlüsse der Enquete- Kommission zur Parlamentsreform aussprechen? Einer Kommission, die eingesetzt worden war, um jene politischen Fehler auszubügeln, denen ein SPD-Parteitag vor einem Jahr den Weg bereitet hatte. „Wir schneiden uns ein bißchen in den eigenen Finger“, erkannte Ex- Sozialsenator Jan Ehlers. „Aber vielleicht ist das die Strafe für das Diätendebakel.“

Und außerdem: der Parteitagsbeschluß war schließlich nicht das letzte Wort, das in Sachen Parlamentsreform gesprochen wurde. Zur Verabschiedung braucht man die Stimmen der CDU, die Verhandlungen sollen Anfang des Jahres beginnen. „Das Ergebnis wird für den ein oder anderen noch ernüchternd werden“, prophezeit Fraktionschef Günter Elste.

Ein Ergebnis, vielleicht ganz im Sinne jener skeptischer Genossen, die sich am Freitagabend nur vereinzelt ans Redepult wagten. Paul Busse zum Beispiel. Der frühere Fraktionsvorsitzende war der einzige, der an diesem Abend kaum ein gutes Haar an den Kommissionsvorschlägen ließ und den Abschied vom Feierabendparlament ebenso kritisierte wie die Stärkung der Rechte der Opposition und die plebiszitären Elemente des Kommissionsvorschlags.

Und auch Jan Ehlers machte deutlich, daß ein Parteitagsbeschluß, der die Parlamentsreform nach Art der Enquete-Kommission begrüßt, noch lange nicht die Umsetzung ihrer Vorschläge bedeutet: „Es ist nicht so, daß wir nur etwas zu ratifizieren hätten, wir müssen noch dran arbeiten.“ Beginnen wollte Ehlers mit dieser Arbeit schon am Freitag, erfolglos. Der Parteitag stoppte seinen Versuch, die Einführung von Wahlkreisen auf das Jahr 2000 zu verschieben, folgte statt dessen dem Argument des Gastredners und Vorsitzenden der Enquetekommission, Wolfgang Hoffmann-Riehm, der vor einer Vertagung auf den „St. Nimmerleinstag“ warnte.

Und auch ein zweites „Aber“, das Ehlers und einige andere Delegierte einwarfen, wehrte Hoffmann-Riehm ab: Die Möglichkeit, daß von der Stärkung der Opposition und der Einführung plebiszitä-

1rer Elemente dereinst auch die Rechtsradikalen profitieren könnten. Man dürfe, so der Kommissionsvorsitzende, jetzt nicht „aus Angst vor den Rechten auf Reformen verzichten“. Uli Exner