Steuermillionen für vage Pläne

■ Ist die Hafenerweiterung in Altenwerder barer Unsinn? / Frühestens in zwölf Jahren könnte dort der erste Container verladen werden / Anwohner leiten gerichtliche Schritte ein

barer

Unsinn? / Frühestens in zwölf Jahren könnte

dort der erste Container verladen werden /

Anwohner leiten gerichtliche Schritte ein

Seit vergangenen Dienstag läuft das Planfeststellungsverfahren für die seit langem heißumkämpfte Hafenerweiterung in Altenwerder. Das heißt, die Behörden-Pläne liegen im Amt für Strom- und Hafenbau sowie in diversen Bezirksämtern aus. Machen Kritiker dagegen Einwände geltend, folgen die Anhörungen der Widersacher. Normalerweise ist dieses formale Prozedere nach einem Jahr abgeschlossen und die Bauarbeiten beginnen. Doch im Fall Altenwerder wird es anders sein. Gerichtliche Klagen gegen die endgültige Zerstörung des rund 300 Hektar großen Gebietes von seiten einiger der

1wenigen Bewohner Altenwerders sind angekündigt und werden wohl für Verzögerungen sorgen.

Geht es nach dem Willen des zuständigen Senators Hans-Jürgen Krupp, sollen die Reste des einstmals mehrere hundert Häuser umfassenden Dorfes geräumt, planiert und dann mit zwölf Millionen Kubikmetern Sand aufgehöht werden. Nur die von der Autobahn sichtbare Kirche wird nicht angetastet. Nachdem die Stadt das Gelände sturmflutsicher auf eine Höhe 7,50 Meter zugeschüttet und eine 1400 Meter lange Kaimauer gebaut hat, sollen sich dort ein Dienstleistungs- und Güterverkehrszentrum

1samt Schuppen und Lagerhallen, Werkstätten und Büros ansiedeln.

Die Wirtschaftsbehörde prognostiziert bis zur Jahrtausendwende eine fast 50prozentige Steigerung des Containerumschlags im Hafen, dieser Zuwachs sei ohne Erweiterung nicht zu bewältigen. „Die Zukunft des Hafens ist nur durch den konsequenten Ausbau hin zum Logistik- und Dienstleistungszentrum zu sichern“, so Wirtschaftssenator Hans-Jürgen Krupp. Doch bis diese Wachstumsphantasien Realität werden, fließt noch viel Wasser die Elbe runter. Selbst wenn alles optimal, sprich ohne störende Klagen der verbliebenen Bewohner verliefe. Das Planfeststellungsverfahren ist frühestens Ende des Jahres abgeschlossen. Ein Jahr kalkuliert das federführende Amt für Strom- und Hafenbau für die Räumung und Planierung des Geländes, ein weiteres für die Aufschüttung. Erst dann könnten Unternehmen mit der Errichtung von Terminals, Schuppen und Kränen beginnen. Das Logistikzentrum könnte nach Einschätzung der Behörde in zwölf Jahren den Betrieb aufnehmen.

Bis dahin würde die Hafenerweiterung in Altenwerder die Steuerzahler einiges kosten. Allein für die

1Erhöhung des Geländes und die Kaimauer veranschlagt die Behörde 560 Millionen Mark. Dazu kommen 130 Millionen Mark für die Umsiedlung der 40 Bewohner und rund 60 Millionen für die als ökologische Ersatzmaßnahme geplante Öffnung der Alten Süderelbe.

Keine seriöse Kosten-Nutzen-Rechnung

Ob sich der Aufwand lohnt, ist noch nicht abzusehen, denn die Vorstellungen der Wirtschaftsbehörde für die künftige Nutzung des Milliardenprojekts sind laut Planfeststellungsunterlagen nur „modellhaft“. Konkrete Pläne für die „integrierten Containerterminals mit umfassendem logistischen Dienstleistungsangebot“ liegen nicht vor. Es gibt noch keine Planung über die Flächenvergabe, denn es steht noch nicht fest, welche Firmen sich auf dem von der Stadt vorbereiteten Gelände ansiedeln wollen.

Gegen diese vagen Zukunftsvisionen, denen eine Siedlung und ein wertvolles Biotop zum Opfer fallen sollen, gibt es ein ganzes Bündel von Einwänden. Aus den Planfeststellungsunterlagen werde

1nicht ersichtlich, daß die Hafenerweiterung in Altenwerder zwingend notwendig sei, wendet der Förderkreis „Rettet die Elbe“ ein. Zudem sei angesichts der angespannten Haushaltslage dieses Milliarden-Projekt gar nicht zu finanzieren. Den Prognosen des Senats für den Umschlag im Hafen traut „Rettet die Elbe“ nicht über den Weg. Die Vorhersagen wären schon in der Vergangenheit nicht realistisch gewesen: „Angeblich wäre Altenwerder schon 1985 dringend für den Containerumschlag benötigt worden ... Obwohl der Containerumschlag von 1970 bis 1991 überproportional zugenommen hat, konnte der Zuwachs im jetzigen Hafennutzungsgebiet bewältigt werden.“ Noch immer gebe es im Hafen reichlich Freiflächen.

Zum Widerstand gegen die „ökologisch unvertretbare, ökonomisch überflüssige und nicht finanzierbare“ Hafenerweiterung fordert auch die GAL die Hamburger Bevölkerung auf. Es gebe keine seriöse Kosten-Nutzen-Abschätzung des milliardenschweren Großprojektes, so die GAL in ihrer Stellungnahme. Auch eine Untersuchung darüber, ob der Hafen Altenwerder zusätzliche Arbeitsplätze schaffen würde,

1liegt nicht vor. Die Arbeitsplätze im Containerumschlag werden kontinuierlich weniger. So kommt nicht nur der GAL der Verdacht, daß im Altenwerder „Terminal 2000“, wie es die Wirtschaftsbehörde nennt, möglicherweise massenhaft Container be- und entladen werden, aber nicht viele Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden und finanziell davon in Hamburg nicht viel hängenbleibt.

Der Förderkreis „Rettet die Elbe“ schlägt angesichts der Wohnungsnot in Hamburg vor, Altenwerder nicht nur für die jetzigen Bewohner zu erhalten, sondern dort umweltverträglich weiteren Wohnraum zu schaffen. Der Alternativplan für Altenwerder sieht am Altenwerder Elbdeich, Dreikatendeich und am Altenwerder Kirchweg Neubauten analog der ehemaligen Bebauung vor. In Zukunft könnten dann wieder rund 2000 Menschen in Altenwerder wohnen. Das übrige Gelände soll als naturnahe Grünfläche erhalten bleiben.

Einwendungen können von der Öffentlichkeit noch bis zum 8. April dem Amt für Strom- und Hafenbau schriftlich mitgeteilt werden. Vera Stadie