Recyclate fast wie neuwertiger Stoff

■ Aus sortenreinen gebrauchten Kunststoffen wird wiederverwertbares Granulat

Große Pappbehälter füllen die Lager-und Fabrikhalle. Ein junger Mann rast mit einem Gabelstapler haarscharf um die Ecke. Schnappt sich einen der Behälter und schüttet daraus irrsinnige Mengen von CD-Hüllen auf ein Förderband. Der Mann arbeitet in einer Fabrik für Kunststoffrecycling, und all die CD-Hüllen stammen aus einer Fehlproduktion.

Seit 1979 ist Dieter Schulz mit seiner Firma Plastolen in der Kunststoffwiederverarbeitung tätig, und das Firmenschild sticht beim Blick vom Use-Akschen- Grill aufs AG Weser Gelände ins Auge. Kunststoffabfall aus der Industrie wird schon seit langem wiederaufbereitet. Früher verwendete man Recyclate ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen. Das aus Kunststoffabfall hergestellte Granulat war wesentlich billiger als der Rohstoff Öl, den man zur Herstellung von Kunststoff benötigt. Aber seit einem Jahr sind die Preise für Rohöl in den Keller gegangen. Dennoch ist das Thema Recycling aktueller denn je.

Die Verpackungsverordnung zwingt seit Dezember 1991 die Hersteller und den Handel zur Rücknahme ihrer Transportverpackungen. Eines der häufigsten Materialien in der Verpackungsindustrie ist nach wie vor Styropor — obwohl er leicht, in manchen Fällen auch durch Popcorn zu ersetzen wäre. Styropor ist Sondermüll, weil bei seiner Verbrennung Dioxin frei wird. „Wenn hier in Bremen einer auf die Deponie fährt mit Styropor, wird er sofort weggeschickt, und muß hier her“, sagt Dieter Schulz. Die meisten Styropor-Hersteller entsorgen den Stoff in ihren eigenen Verarbeitungsanlagen, denn das Entsorgen kostet Geld.

Zehn bis fünfzehn Tonnen des knirschenden Verpackungsmaterials gehen im Monat bei Plastolen durch die Anlage und werden zu einem wiederververtbarem Material gemacht. Das Styropor-Agglomerat hat früher 1.20 Mark eingebracht. „Wenn wir Glück haben, kriegen wir heute 20 Pfennig dafür“, sagt Schulz. „Seit einem Jahr bewegen sich die Rohstoffpreise auf dem niedrigsten Stand, seitdem ich mit diesem Bereich zu tun habe“, stöhnt der Geschäftsführer.

In der Fabrikhalle sticht der Plastikgeruch in die Nase. Das Prinzip der Kunststoffrecyclingverarbeitung ist ähnlich wie das beim Haushaltsplastikmüll. Der Müll wird geschreddert oder agglomeriert, je nachdem ob es sich um festes Plastik oder Folien handelt. Das Mahlgut kommt in beschriftete Behälter: „ABS“ verkündet, daß hier Acrylnitril-Butadien-Styrol drin ist. „Wir machen hier nur sortenreinen Kunststoff“, sagt Schulz. Damit weist er auf den großen Unterschied zu den Möglichkeiten, Haushaltskunststoffmüll zu verarbeiten, hin.

Im Haushaltskunststoff sind die chemischen Zusammensetzungen vielfältiger Art. Dieser gemischte Plastikmüll kann nur zu einem groben Brei verarbeitet werden, der wiederum nur für grobschlächtige „Profile“, Gartenbänke oder —zäune oder Komposter eingesetzt werden kann.

Daß das Plastik bei Plastolen sortenrein getrennt ist, heißt nicht, daß es in der Verarbeitung nicht vermischt werden darf: Bei Plastolen wird den Substanzen in vollautomatischen Mischern Gummi oder andere „Formungshilfen“ zugesetzt. Bei dem Granulat für Radkappen wird beispielweise etwa 30 Prozent Mineral zudosiert. Bis zu 600 Kilo Plastikmischung stündlich können in der Anlage verarbeitet werden. Doppelschneckenextruder heißen die Zaubermaschinen, die altes Plastik in Körner verwandeln.

Im Labor wird das fertige Material überprüft: Schlägzähigkeit, Dichte, Farbe, Zugfestigkeit sind einige der Kriterien. Das Endprodukt sieht aus wie neuer Kunststoff. „Durch die Zuführung von Additiven kann man Werte von Primärstoff erreichen“, erläutert Schulz. Man müßte dies Recyclate viel hhäufiger einsetzen, meint Prokuristin Birgit Becker von Plastolen: „Töpfer hat meiner Meinung nach einen Schritt zu wenig gemacht. Er hat zwar gesagt, daß man den Kunststoff wiederverwerten muß, aber der nächste Schritt wäre anzuordnen, daß soundsoviel Prozent Recyclate wieder in der Industrie eingesetzt werden muß!“

Vivianne Agena