Leukämie an der Küste?

■ Professor: Mehr Leukämie und Lymphknotenkrebs in Dithmarschen / Ursache Meeresverschmutzung? / Kieler Kollege widerspricht heftig

? / Kieler Kollege wiederspricht heftig

Im Küstenstreifen der Dithmarscher Nordsee erkranken wesentlich mehr Menschen an Leukämie und Lymphknotenkrebs als im Bundesdurchschnitt. Dies ist das Ergebnis einer mehrjährigen Studie des Leiters der medizinischen Abteilung am Kreiskrankenhaus Heide, Professor Knut Schemmel.

In der NDR Welle Nord sagte Schemmel gestern, daß in der Küstenregion „die Leukämie mit einem Faktor zwei über dem Bundesmittel liegt, während es bei den lymphatischen Erkrankungen ein Faktor über vier ist“. Fast drei Viertel der Patienten würden in dem 20-Kilometer-Streifen entlang der Küste wohnen, „der der ständigen Westdrift vom Meer her ausgesetzt ist“. Als Krankheitsursache will Schemmel grundsätzlich Viren, Strahlung und chemische Substanzen ausgemacht haben. „Es müssen Schadstoffe sein, die ins Meer geleitet worden sind, eventuell auch am Meeresboden abgelagert werden, und die eben durch eine Westwind-Strömung auf relativ kurze Entfernung freigesetzt werden und über die Lungen in den Körper gelangen.“

Professor Helmut Löffler, Leiter der medizinischen Universitäts-Klinik Kiel hält die Untersuchung seines Kollegen aus Heide für fragwürdig und „sehr weitgegriffen“. Ihm sei nicht bekannt, „daß irgendwo auf der Welt an einer Meeresküste eine Häufung von Leukämie-Fällen aufgetreten ist“, sagte Löffler der Welle Nord. Außerdem gebe es keine Leukämie- und Krebsregister, Vergleiche würden deshalb auf Schätzungen beruhen. Auch Schemmels Schlußfolgerung, die Schadstoffe der Nordsee wären schuld an den Erkrankungen, kann Löffler nicht teilen. „Ich würde das nicht sagen. Das ist Spekulation, weil man im Grunde die Ursachen von Leukämie und Lymphknoten nicht kennt.“ Auch in den Elbmarschen sei die Ursache noch nicht gefunden.

Unterdessen gibt es neue Hinweise auf radioaktive Belastungen der Elbmarschen. Die Bundesforschungsanstalt für Ernährung in Jülich hat in einer Baumscheibe aus der Region radioaktives Tritium in einer erhöhten Dosis von 33 Becquerel gemessen. Das wurde der Bremer Physikerin Inge Schmitz- Feuerhake in einem am Mittwoch bekannt gewordenen Schreiben aus Jülich mitgeteilt. Das Sozialministerium in Hannover bestätigte die Meßwerte. Aus dem Einzelwert könnten aber noch keine Rückschlüsse auf die Leukämiefälle gezogen werden. Norbert Müller