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Passages — die Farbe des Zwielichts

■ Eine spannende Ausstellung von Francis Segond und Isabelle Gogröf im gefährdeten Neustädter Bahnhof

„Vor dem Eintritt in die Zone“ heißt ein Bild von Francis Segond, auf dem sich durch eine in allen schwarz-grau-weiß-Tönen changierende Landschaft ein roter Farbfaden zieht. Das Bild spielt an auf den dunklen Film „Stalker“ des Russen Andrej Tarkowsky, in dem sich drei Männer durch „die verbotene Zone“ führen lassen, um am Ende unerträgliche Wahrheiten über sich selbst zu erfahren.

Francis Segonds Bild gehört zur Ausstellung „Passages — oder die Farbe des Zwielichts“, und hängt, zusammen mit Bildern von Isabelle Gogröf, in einem Raum, der selbst wie ein Bestandteil der „verbotenen Zone“ anmutet: in der Schalterhalle des alten, beinahe ganz stillgelegten und verlassenen Bahnhofs in der Neustadt.

Dabei ist die Schalterhalle selbst renoviert, licht und hoch und mit einer Empore samt alter Decke versehen, so daß die überraschend angenehme und großzügige Architektur eine ganze Weile von der Ausstellung selbst ablenkt. Zudem ist die Halle erfüllt von einer gedämpften Geräuschkulisse aus Donnern, Hallen, leiser französischer Musik und Gongschlägen, einer immer wieder variierenden Collage von sechs Tonbändern, die bei aller Künstlichkeit doch direkt aus der Bahnhofshalle nebenan zu kommen scheint. Wenn dann der Blick auf ein großes sanftfarbiges Gemälde von Isabelle Gogröf fällt, das „Zwischenwelten“ heißt, dann kann man nur nicken: ja!

Ende 1991 mietete eine Gruppe von vier Künstlern die Schalterhalle von der Bundesbahn für insgesamt 1000 Mark im Monat. Die Galerie sollte ein Ort werden, an dem nicht nur Bremer KünstlerInnen ausstellen, sondern auch solche aus den europäischen Nachbarländern, die dann ihrerseits wieder für Ausstellungsmöglichkeiten von BremerInnen im Ausland sorgen würden.

Einmal ist so ein Austausch schon gelungen. Da aber sämtliche Kosten privat getragen wurden, hat Francis Segond als einziger der Gründer bisher noch nicht aufgegeben. Ein kleiner Verein mit unermüdlichen Mitgliedern (der Verstärung braucht) steht ihm inzwischen zur Seite — und doch ist das ganze Unternehmen auf's allerhöchste gefährdet. Was ein kultureller Anziehungspunkt in der Neustadt sein könnte, die nicht eben reich an solchen exquisiten Räumen ist, muß vielleicht schon im Juni schließen und einem x-beliebigen kommerziellen Nachmieter Platz machen. Es wäre verdammt schade drum. Nach der nächsten Ausstellung im Mai will, so die Galerie noch besteht, im Juni der in Kunstkreisen bekannte französische Maler Pierre Weil kommen, wieder auf eigene Kosten.

Die laufende Ausstellung, die dritte seit der Renovierung von 1992, zeigt, was für eine hohe Qualität in der Galerie im Neustädter Bahnhof zu erwarten sein kann. Isabelle Gogröf (31) ging schon als 10-jährige bei dem Präsidenten der Pariser Kunsthochschule, Pierre Ramel, in die Lehre ging, und malt inzwischen Bilder in einer ungewöhnlichen Spachteltechnik, deren volle Farbgkeit, bei aller sonstigen Abstraktheit, an van Gogh, an Monet erinnern.

Francis Segond ist ein unkonventionell routinierter Maler, dessen Bildkonstruktionen immer den Bezug zur Literatur, zum Film zur Musik suchen und explizit durch begleitende Texte herstellen. „Passages — Übergänge“ suchen sowohl seine Bilder, als auch der Ort, an dem sie hängen. Fahrt wohl! Cornelia Kurth

Diee Ausstellung wird verlängert und geht bis zum 2. Mai. Die Anschlußausstellung, „Neue Werke“ von Ingrid Gey eröffnet am 7. Mai

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