Motorradfahrer werden älter

■ Saisonstart bei den Bikern: Immer mehr Frauen tauschen den Rücksitz mit dem Platz hinter dem Lenker / Früher waren PS-starke Maschinen, jetzt sind immer mehr Roller gefragt

Volker Härtig liegt im Trend. Mit seinen 37 Jahren schwingt er sich bei gutem Wetter auf seine gebrauchte BMW. Zwar sind Motorradfahrer im Durchschnitt (noch) ein wenig jünger als der prominente Kreuzberger, doch die Fahrer der BMW-Maschinen sind im Schnitt genauso alt wie Härtig. Ansonsten aber ist der Berliner Stadtplaner als Mann auf dem Bock fast schon „out“.

Denn der Anteil von Frauen, die sich auf motorisierten Zweirädern zwischen Autoschlangen hindurchwühlen, nimmt immer mehr zu. In den vergangenen 10 Jahren hat sich ihr Anteil auf heute etwa 13 Prozent verdoppelt. Immer mehr Frauen absolvieren die Führerscheinprüfung KlasseI.

Daß die Frauen beim Lernen auf dem Vormarsch sind, bestätigt auch der Berliner Fahrlehrer Dieter Masche. Seine Vermutung, warum sich Frauen von Maschinen angezogen fühlen, die mit ihrem Chromglanz und Auspuffgedröhne häufig als Ausdruck männlichen Potenzwahns betrachtet werden: „Frauen werden selbständiger.“

Zwar kennt Rudi Sänger, 50 Jahre und seit 20 Jahren Verkäufer, die genauen Umsatzzahlen nicht, doch den Trend vom Kunden zur Kundin kann er aus eigener Erfahrung bestätigen.

Der Mitarbeiter im Karlshorster „Motorradzentrum Berlin“ weiß aber noch von einer anderen Entwicklung. Motorroller – zuletzt wurden sie vor dreißig Jahren durch The Who in dem Kassenschlager „Quadrophenia“ populär gemacht – feiern ein Comeback.

Gründe dafür vermutet Sänger bei den geringeren Versicherungskosten sowie der niedrigeren Steuer und genauso beim günstigen Kaufpreis. In Karlshorst ist eine Bajaj bereits ab weniger als 3.000 Mark zu haben.

Einen Umstieg von Rad auf Roller gebe es auch deshalb, glaubt der Verkäufer, weil Bodenblech und Windabweiser den Fahrer besser gegen überraschende Witterungsveränderungen schützen. Unpraktische und im Sommer viel zu heiße Lederklamotten seien nicht nötig.

Insgesamt waren im Februar dieses Jahres in den alten Bundesländern etwas mehr als 1,6 Millionen Krafträder – also auch Mofas, Mopeds und Motorroller – angemeldet, berichtet das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg. Über die neuen Bundesländer gebe es weiterhin keine zuverlässigen Zahlen, weil die noch mit altem DDR- Kennzeichen fahrenden Maschinen in der Flensburger Behörde nicht erfaßt seien.

Torsten Schulz vom „Motorradhaus am Südstern“ sieht noch einen Trend: den zu günstigeren Modellen. Öfen über 13.000 bis 14.000 Mark verkauften sich schwieriger, unter 10.000 Mark gebe es dagegen eine starke Nachfrage. Verkleideten, leistungsstarken Maschinen – Mitte der Achtziger der Renner – fehle inzwischen das Publikum, jetzt rolle die Klassikwelle: „Der Motorblock muß zu sehen sein.“ Möglicherweise seien hohe PS- Zahlen wegen der teuren, seit diesem Jahr geltenden Versicherungstarife weniger gefragt, meint der 26jährige Verkäufer.

Der Interessenswandel hängt aber auch mit dem zunehmenden Durchschnittsalter der Driver zusammen. Torsten Schöppler ist zwar erst 29 Jahre, doch in den 13 Jahren seines Motorradfahrerdaseins interessiert ihn heute die Technik nur noch am Rande. „Mittlerweile bin ich froh“, sagt der Betriebswirtschaftsstudent, „wenn die Kiste läuft.“ Schöppler hat vor zwei Jahren in Berlin den Club „Kuhle Wampe“ gegründet. Bei den regelmäßigen Sonntagstreffen der 15 Mitglieder werde die „Technik-Diskussion“ vermieden, weil diese Gespräche immer in festgefahrene Vor- und Nachteil- Auseinandersetzungen ausgeartet seien, erzählt er. Bei der Kuhlen Wampe – nach einem Brecht-Film benannt – fühlt sich der Student wohl, weil die anderen seine politischen Ansichten teilten.

Kuhle Wampe – der Berliner Verein ist einer von insgesamt über 50 gleichnamigen Clubs in der Bundesrepublik – wendet sich in seiner Grundsatzerklärung gegen „rechtsradikale Tendenzen und alltäglichen Faschismus“. Um die guten Erfahrungen, die Motorradfahrer als Fremde im Ausland machten, ins öffentliche Bewußtsein zu befördern, rufen die Clubs für den 8. Mai zu einer bundesweiten Demo „Gegen Rassismus, Dummheit und Haß“ auf. Auch Fahrlehrer Masche wird dabeisein: Der 50jährige gehört zum „MC Friedrich Angels“. Von seinen 50 Mitgliedern sind schon ein Drittel Frauen, „und es werden immer mehr“, sagt Masche. Dirk Wildt

Der Motorradcorso des Clubs Kuhle Wampe startet am 8.Mai um 11Uhr an der Gedenkstätte Plötzensee.