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Marlboro-Country, pazifischer Alltag

■ Drei Reisebücher über Neuseeland / Peter Hinze / Karl Johaentges / Ferdinand Dupois-Panther

Die deutsche Ausgabe des Nelles Guide Neuseeland ist ein Buch für den motorisierten Mainstream-Touristen auf konventionellen und ausgelatschten Routen. Die AutorInnen hasten von einem fettgedruckten Highlight zum nächsten. Von Ausnahmen wie den Catlins abgesehen, haben die Verfasser die zahlreichen ungeteerten Nebenstraßen kaum befahren. Völlig unerwähnt bleibt eine der reizvollsten Regionen in Central Otago, die Gegend zwischen Alexandra, Ranfurly und Middlemarch, mit der Maniototo- Hochebene.

Die Hintergrundinformationen sind dürftig und berühren aktuelle gesellschaftliche Probleme nur am Rande („Neuseeland heute“ auf drei Seiten!). Der Band enthält eine knappe Einleitung zur Mythologie der Maori und zur Geschichte des Landes sowie Kurzessays zur Maori-Kultur, zu walking-tracks, zum Sportleben und zur Landwirtschaft. Alles im Schnelldurchgang mit umwerfenden Erkenntnissen: „Obwohl sich für den Laien alle wolligen, grasenden Schäfchen ähneln, gibt es viele verschiedene Schafarten.“

Keine Rede von der tiefen Krise der neuseeländischen Landwirtschaft, von Arbeitslosigkeit ehemaliger Farmer und Abwanderung in die Städte. Warum auch. Das anvisierte Lesepublikum will ja Dias machen, von Schafherden, schneebedeckten Gipfeln und unberührten Seen.

Doch der Neuseeland-Einsteiger mit ein bis zwei Monaten Zeit für eine überblicksmäßige Rundreise findet durchaus verläßliche Tips. Die Kurzinformationen zu Gastronomie, Kultur usw. sind vertrauenswürdig; die Fotos sind von gemischter Qualität; der Info- Teil am Schluß ist etwas mager. Insgesamt ein kompaktes, aber etwas oberflächliches Hochglanz- Neuseeland.

Karl Johaentges hat einen subjektiven, jedoch anregenden Foto- Reise-Essay vorgelegt. Er führt den Leser in abgelegene Winkel des Landes, aber auch ein ganzes Stück ins neuseeländische Alltagsleben hinein. Das Buch ist allerdings explizit kein Reiseführer, sondern Appetizer für Leute, die fähig sind, ein Land anhand signifikanter Details zu erschnuppern. Auch Johaentges hat nicht das gesamte Land bereist. Aber einige der von ihm ausgewählten Routen sind durchaus unkonventionell, und Regionen wie Southland auf der Südinsel oder East Cape auf der Nordinsel sind touristisch wenig frequentiert.

Die streiflichtartigen Einblicke in typische neuseeländische Szenerien werden nicht über den knappen, tagebuchartigen Text vermittelt, sondern über die überwiegend farbigen Fotos. Diese sind nicht nur ästhetisch hervorragend, sondern bringen neben den üblichen Naturszenerien auch charakteristische Menschen und Gegenstände ins Bild, wie einen bemoosten Holzschuppen in Westland oder zwei Viehtreiber in ihrem Wohnwagen an der East Coast.

Doch Johaentges' Neuseelandbild hat eine romantisierende Tendenz und riecht nach Marlboro- Country. Entgegen den Absichten des Autors erscheint Neuseeland als letzte Nische für zivilisationsmüde Aussteiger. Vielleicht hätte man auch einmal die Jugendgangs in den Aucklander Vorstädten oder die Obdachlosen in Invercargill ins Bild bringen können.

Der Neuseeland-Führer von Ferdinand Dupois-Panther, im VSA-Verlag erschienen, gehört mit zum Besten auf dem Neuseeland-Buchmarkt. Etwa die Hälfte des Buches besteht aus kurzweiligen knappen Essays zu gesellschaftlichen Hintergrundthemen. Kein anderer Reiseführer bietet zum Beispiel bessere Informationen über Rockmusik und Medienlandschaft.

Alle Hintergrundbeiträge liefern Annäherungen an die neuseeländische Gegenwartsgesellschaft: zum Beispiel der sozialgeschichtliche Blick auf die Lage der Maori, die Erörterung ökologischer Probleme oder die Diskussion der seit 1984 betriebenen antinuklearen Politik des Landes.

Der 120 Seiten lange Reiseteil erschließt das Land von der Perspektive eines nichtmotorisierten Individualtouristen. Er bietet sehr nützliche und absolut verläßliche Detailinformationen über Bus- und Eisenbahnverbindungen, Campingplatzpreise, Wandermöglichkeiten. Das Buch steckt voller Überraschungen und anregender, unkonventioneller Vorschläge: Welcher Reisebuchautor sonst hat die sehr empfehlenswerte Kunstgalerie in der Wellingtoner Vorstadt Lower Hutt besucht? Weiterführende Tips finden sich am Ende jedes Essays; ein genereller Info- Teil beschließt den Band.

Der Nachteil des Buches: Ganze Regionen wie Taranaki oder East Cape bleiben ausgespart, wie überhaupt die Nordinsel erkennbar unterrepräsentiert ist. Außerdem sind die ausnahmslos Schwarzweißfotos und die Karten dürftig bis schlecht. Dennoch: Das hier vermittelte Neuseelandbild ist authentisch. Für dieses Buch sollte in der Reisetasche noch Platz sein.

Peter Hinze (Hrsg.): „Nelles Guide Neuseeland“. Nelles-Verlag, München 1992, 256 Seiten, 24,80 DM

Karl Johaentges: „Neuseeland“. KaJo-Verlag, Hannover 21988, 156 Seiten, 39,80 DM

Ferdinand Dupois-Panther: „Neuseeland. Ein Reisebuch“. VSA- Verlag, Hamburg 1990, 221 Seiten, 36 DM

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