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Von der Buchstäblichkeit einzelner Buchstaben

■ Untersuchungen des Wortes an sich: Schmöker aller Art stehen bei Elsbeth Arlts Buchinstallationen in den Bücherhallen im Mittelpunkt

Buchinstallationen in den Bücherhallen im Mittelpunkt

Wenn Elsbeth Arlt sagt, sie lasse sich für ihre Ausstellungen von Büchern inspirieren, wird wohl kaum jemand dabei schon an künstlerische Originalität denken wollen. Aber er irrt sich. Denn bei Elsbeth Arlt muß man den Satz mit den Büchern wörtlich nehmen. Schmöker aller Art stehen in ihren Ausstellungen im Mittelpunkt, und nicht nur thematisch, sondern auch ganz handfest. Soll heißen: Arlts Ausstellungsstücke sind nichts Geringeres als richtige Buchinstallationen.

Diese sind jetzt vier Wochen lang in verschiedenen Hamburger Bücherhallen zu besichtigen. „Vielleicht als ein gewisses Kontrastprogramm zum bevorstehenden Bücherfrühling“, hatte dazu Hanno Jochimsen, Direktor der Öffentlichen Bücherhallen, angekündigt: „Denn Bücher sind anders bei ihr. Verfremdet. Ein bißchen Kunst und vielleicht auch mehr.“ Wie das dann aussieht, zeigen seit dem 21. April die Stadtteil-Bibliotheken Harburg, Eppendorf und Mundsburg mit jeweils einer größeren Installation, sowie die Zentralbibliothek mit einer Aufstellung verschiedener Arbeiten zum Thema Buchobjekte.

„Nicht entleihbar“, ist auf Schildern an den einzelnen Ausstellungsobjekten nachzulesen. Um so für die Besucher Verwechslungen mit der Leihlektüre der Zentralbibliothek vorzubeugen? Weniger. In erster Linie handelt es sich ganz schlicht um den Titel der Ausstellung, der wiederum auf die Herkunft des ungewöhnlichen „Werkmaterials“ verweist. Die Ausstellungs-Bücher sind nämlich selber nichts geringeres als ehemalige Leihbestände aus Bibliotheken, nur sind sie dort — per Stempel — allesamt der „Aussonderung“ zum Opfer gefallen, und seither nicht mehr entleihbar. „Gelöscht“, nennt sich dieses Schicksal in der Bibliothekars-Fachsprache.

In einer ihrer Arbeiten (zu besichtigen in der Zentralbibliothek) untersucht Elsbeth Arlt jenes Wort 'gelöscht' nun auf die ihr eigene Weise: In pfannenähnlichen Schalen befinden sich jeweils mehrere halb- verbrannte oder schwarz angekokelte Bücher, deren Anblick durchaus eine vorausgegangene „Bücherverbrennung“ assoziieren läßt. „Gelöscht“ — der Werktitel — kann hier im zweifachen Wortsinn gedeutet werden, zudem mit vielfachen Bezügen. Und außerdem: die Titel der Bücher — sie sind teilweise noch lesbar — hatten anscheinend alle in ihrem Wortlaut „mit dem Feuer gespielt“ — von „Eine kleine Flamme“ über „Solange das Feuer brannte“ bis „Menschen im Feuer“, und so fort. Da liegt denn ein buchstäbliches Interpretieren der Installation nicht allzu weit entfernt von historisch- politischen Anspielungen.

Den Buchstaben und auch der Buchstäblichkeit wird hier viel Platz eingeräumt — mal augenzwinkernd, dann wieder ernster. Das hatte schon bei der Eröffnungsveranstaltung zur Ausstellungreihe Mitte letzter Woche die Lesung deutlich gemacht, die Elsbeth Arlt zusammen mit der Bibliothekarin Stefanie Zich als eine „Dia-Text-Collage“ abgehalten hatte, frei nach dem Motto „Das Buchwesen und die Kunst“.

Die meisten Quadratmeter beansprucht übrigens die Harburger Installation „Pflegenotstand“. Dort ist „eine Gruppe von 47 mal 47“ einbandlosen Lektürebänden sta-

1pelweise angeordnet und auf kleinen Wägelchen ausgestellt. In Eppendorf wird derweil „Schwarze Kunst“ inszeniert — gemeint ist der Buchdruck —, und in Munds-

1burg schließlich läuft ein „Video zu Büchern von 1977 bis 1990“, der da heißt: „Manche leuchten, wenn man sie liest“.

Dorothea Schüler

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