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Verliererimage in Gröpelingen

■ Ungeduldige BewohnerInnen: Wann sieht man was von der Sanierung im Stadtteil

Spielhallen und Resteläden — viel zu kaufen gibt es in der Lindenhofstraße in Gröpelingen nicht mehr. Dabei bildet die Lindenhofstraße zusammen mit der Gröpelinger Heerstraße das Einkaufszentrum des Stadtteils. „Als wenn die Welt nur aus Resten bestünde, das erzeugt ein richtiges Verlierer- Image“, findet Pastor Peter Bick. Seit 1983 die AG Weser schloß, geriet der Stadtteil immer mehr in die soziale Schieflage.

Überproportional viel Arbeitslose, 16 Prozent ausländische MitbürgerInnen, viel zu wenig Kindergärten und Freizeiteinrichtungen, Drogenhandel ... Auch die Sozialbehörde stuft die vier Gröpelinger StadtteileOslebshausen, Ohlenhof, Gröpelingen und Lindenhof unter die am meisten „belasteten“ zehn von insgesamt 79 Bremer Stadtteilen ein.

Daß es den GröpelingerInnen stinkt, kann man auch am Wahlergebnis von 1991 ablesen: Im Arbeiterstadtteil mit klassischer SPD-Bindung wählten 1991 elf Prozent die DVU; 33 Prozent gingen gar nicht erst wählen. „Man ahnt, welche Ungeduld hier vorhanden ist“, meint Peter Mester, stellvertretender Ortsamtsleiter. Die Entscheidung des Senats, das Wohnschiff für Asylsuchende im Gröpelinger Kohlenhafen zu verankern, habe das Faß vollendes zum Überlaufen gebracht. Es hagelte Parteiaustritte.

Dabei ist der Gröpelinger Stadtteil Lindenhof seit 1991 das größte zusammenhängende Sanierungsgebiet in der Bremer Geschichte überhaupt. Doch eine Verbesserung können viele GröpelingerInnen noch immer nicht erkennen. Bislang habe man nur Kleinigkeiten ändern können, gibt Anne Lüking von der Bremischen Gesellschaft für Stadterneuerung, Stadtentwicklung und Wohnungsbau zu. Zum Beispiel konnte man durch Zwischenkauf eines Gebäudes die Ansiedlung eines weiteren türkischen Supermarktes in der Lindenhofstraße verhindern. Außerdem hat man den Eigentümer der alten Druckerei in der Gohgräfenstraße davon überzeugt, dort die Polizei aus der Morgendlandstraßen-Wache einziehen zu lassen anstatt geldbringend Flüchtlinge unterzubringen.

„Das ist eben jetzt die am kribbeligste Phase“, weiß auch Stadtplaner Martin Passlack von der Bremischen: Eine Stadtteilreparatur hat einen langen Planungsvorlauf. Erst jetzt ist man soweit, größere Vorhaben umzusetzen. Noch in diesem Jahr soll zum Beispiel der zugewucherte Liegnitzplatz zu einem Platz für alle umgestaltet werden. Und die große Garagensiedlung zwischen Ortstraße und Lindenhofstraße wird abgerissen, um dort 200 Wohnungen zu bauen.

Heute ist der zweite

Stadtteilpol verwaist

Einst hatten die GröpelingerInnen im Hafen gearbeitet, waren morgens und abends durch die Lindenhofstraße gezogen. Doch heute ist dieser neben der Heerstraße zweite Stadtteilpol verwaist. Mit 600 neuen Wohnungen, Gewerbeansiedlung entlang der Hafenrandstraße und vor allem weiteren Kultur-und Freizeiteinrichtungen hofft die Bremische, diese Ecke wiederzubeleben. So soll im ältesten Gröpelinger Haus, einem Bauernhof von 1750 an der Ecke Ortstraße/Lindenhofstraße vielleicht eine multikulturelle Begegnungsstätte mit Cafe und Garten entstehen. Die Fatih-Moschee am Bihwerder wird hundert Meter weiter größer aufgebaut — mit Zufahrt von der Hafenrandstraße, damit es künftig im besucherintensiven Ramadan keinen Streit mehr gibt mit den AnwohnerInnen (Baubeginn 1994).

Ein Herzstück des Konzepts ist die Anbindung des Stadtteils an die Weser: Der Fährweg zum ehemaligen Weseranleger (derzeit ein Drahtverhau) soll noch in diesem Jahr ausgebaut werden. Ob dort jedoch ein Ausflugslokal locken wird oder sich ein Gewerbetreibender breitmachen darf, ist noch nicht entschieden. Ein Fährunternehmer jedenfalls hat schon großes Interesse angemeldet, Ausflügler wie in alten Zeiten nach Woltmershausen überzusetzen.

Christine Holch

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