: ADFC: Unfallzahlen täuschen
■ Berlins schlimmste Straßen (14): In der Dudenstraße gab es im letzten Jahr zwölf Verletzte - obwohl viele Fußgänger und Radfahrer die Straße möglichst meiden
Der Entwurf zum Flächennutzungsplan läßt hoffen: Der Flughafen Tempelhof taucht als solcher gar nicht mehr auf, das Areal ist für Wohnungsbau, Bürogebäude und vor allem große Grünflächen vorgesehen. Die Tempelhofer Grünen plädieren für ein autofreies Wohnen und Arbeiten auf dem Gelände – die Luft um den Platz ihrer Brücke könnte sich in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren bessern, so die Optimisten.
Doch noch landen die Flieger auf dem geschichtsträchtigen Feld, die weitere Verkehrsströme nach sich ziehen. Eine der Achsen ist die Dudenstraße, die baulich überhaupt nicht für die Automengen geeignet ist, die sie täglich zu verkraften hat. Sichtbare Folge für die Fahrer ist, daß sie einander stets gegenseitig die freie Fahrt verwehren; für die Anwohner sind unerträglicher Lärm und hohe Schadstoffbelastung Ergebnis der täglichen Blechschlangen.
Das belegt auch die Studie zur stadtverträglichen Belastbarkeit der Berliner Innenstadt durch den Kfz-Verkehr, die seit einem Jahr von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz der Öffentlichkeit vorenthalten wird. Den Lärmdurchschnitt im Westberliner Hauptstraßennetz beziffern die Gutachter darin mit rund 65 bis 70 Dezibel. Die kritische Grenze von 75 Dezibel werde „nur vereinzelt in Straßenzügen“ überschritten, etwa im Bereich Kolonnenstraße/Dudenstraße. Regelmäßig sei es dort tagsüber lauter als 70 Dezibel, nachts über 60: „Damit werden in diesen Wohnbereichen die Immissionsgrenzwerte der Bundes-Immissionsschutz-Verordnung für Wohngebiete um zehn Dezibel und mehr sowohl am Tage als auch nachts überschritten“, so die Experten der Gesellschaft für Informatik, Verkehrs- und Umweltplanung sowie der Forschungsgruppe Stadt und Verkehr.
Doch nicht nur den Lärm bemängelten die Gutachter: Es gebe praktisch keine Bäume, die Bürgersteige seien viel zu eng, die Luftschadstoffbelastung sei zu hoch und die Sicherheit auf der Straße keinesfalls annähernd gewährleistet, so das vernichtende Urteil. Zusammen mit der Joachimstaler Straße und der Skalitzer Straße gehört die Dudenstraße zu den dreien, die aus Sicht der Gutachter am dringendsten entschärft werden müssen.
Zwölf Verletzte gab es im vergangenen Jahr bei Unfällen in der Dudenstraße, teilte Rolf Hirschmann vom Statistischen Landesamt Berlin mit. Glücklicherweise habe es darunter nur einen Schwerverletzten gegeben, so der Sachbearbeiter für Verkehrsauswertung. Diese Zahlen hält Axel von Blomberg, amtierender Vorsitzender des Berliner ADFC, für „beschönigend“:
Über die in dieser Serie vorgestellten Strecken hinaus gebe es „ganz schlimme Straßen, die kaum Unfälle haben, weil die Fußis und Radler sie meiden“. Dazu gehöre auch die Dudenstraße, die viele gar nicht erst nutzten, auch weil in der Verlängerung Kolonnenstraße Radwege unvermittelt „unter legal parkenden Autos“ endeten, so Blomberg: „Ich fühle mich in der Kreuzbergstraße wohler.“ Christian Arns
In der nächsten Folge raten wir von der Sophie-Charlotten-Straße ab.
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