: Choco-Crossies zum Kaffee
■ Neun Frauen in einer intriganten (Männer-)Welt: TKK spielt Goldonis „Kaffeehaus“ im Jungen Theater
Oh wie verführerisch! zergehen diese knusprigen Schokoladenstückchen zu Mozarts Erkennungsmelodie auf der Zunge! Oh wie verführerisch schmeicheln die beiden Bunnies durchs Publikum, hautenge schwarze Bodies an ihren muskulös grazilen Körpern. Die Bunnies — zwei männliche Wesen in einem Theaterstück, das ausschließlich von Frauen gespielt wird — waren eben noch erotisierende Beigabe zu einem Männerstrip: Eine als Mann verkleidete Frau wird wieder Frau.
Neun Frauen (und zwei Männer) brachten letzten Montag im Jungen Theater „Das Kaffeehaus“ auf die Bühne. Rainer Werner Fassbinder hatte die Komödie aus dem 18. Jahrhundert von Carlo Goldoni in den sechziger Jahren bearbeitet, TKK, eine neue Theatergruppe der Uni Bremen, bescherte ihr knapp ein Vierteljahrhundert später eine ungewöhnliche Premiere: Frauen bewegen sich in den derben patriarchalischen Strukturen des Stücks.
La bottega del Caffe ist ein Kaffehaus in Venedig, Dreh- und Angelpunkt von Intrige und Korruption, Schauplatz einer Männerwelt, besessen von Geld, amore, Macht. Umso spannender für die neun Frauen von TKK (Theater Kultur Konzept), die sich im November 92 aus einem Komik-Projekt im Studiengang Kulturwissenschaften gebildet hatten. Wegen ihrer ungewöhnlichen Besetzung hatten sie zunächst kein Stück finden können. Im „Kaffeehaus“ spielen sie gerade damit.
„Die Frauen nehmen ihren 'Wandel' mit ins Stück, es soll offensichtlich sein, daß sie ihr Geschlecht wechseln“, sagt Stefan Schönfeld, der für die Aufführung Regie führt: Schminktische umrahmen das Kaffeehaus- Zimmer, die Frauen treten vom Damenklo ein, schmücken sich mit Bärten, Bäuchen und Pomade und treten später durchs Männerklo wieder aus.
Die Frauen haben ihren Spaß daran. Sie, die bis auf eine Ausnahme allesamt Laienspielerinnen sind, ergötzen sich an schmierigem und ausschweifendem Gehabe, an süffisanten Wortgefechten, an Gewalt und Sexismus. Der Spielhausbesitzer Pandolfo betrügt den jungen Kaufmann Eugenio, indem er den falschen Grafen Leander gewinnen läßt, die Tänzerin Lisaura fällt diesem anheim, den sein Frau Placida zusammen mit Lisaura und Eugenios Frau Vittoria in einem Komplott entlarvt — sämtlich umgarnt und verkauft von Kaffeehausbesitzer Trappolo, seinem gutmütig-naiven Kellner Trappolo und Klatschmaul Don Marzio.
Wenn TKK dieses Verwirrspiel überdreht und manches Mal doch nicht so ganz männlich- überzeugend wirkt, dann ist das schon wieder Effekt: „Die Not am Mann hat ganz klar unsere Inszenierung beeinflußt“, erzählt Sandra Meyer, „wir spielen nach Goldoni-Art, also komisch.“ Fassbinder hatte „Das Kaffehaus“ 1969 zur Anti-Theater-Zeit sehr ernst und anklagend aufgeführt. „Diese Traurigkeit ist aber heute gar nicht mehr nachvollziehbar, obwohl das Stück inhaltlich natürlich aktuell geblieben ist“, meint auch Ina Scheimann.
Slapstick, Situationskomik, Gags ziehen sich durch ihr Spiel, mal schroff, mal spitz, mal blumig. Peppig. Eugenio bekommt nach verlorenem Spiel seine Levis auf die Bühne geworfen, Tequila! wird gezecht - Werbung als der Inbegriff von Käuflichkeit. Und Männerstrip. Der Kaffeehausbesitzer: „Das ist die Krönung.“ Kaffee oder was? Silvia Plahl
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