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Müll dreht Warteschleife

■ DSD bekommt erstes Zwischenlager genehmigt

Magdeburg (taz) – Aufatmen im Magdeburger Umweltministerium: Ein Gespräch zwischen den zuständigen Beamten und der Deutschen Binnenreederei Berlin ergab, daß die Einrichter des ersten Zwischenlagers für Kunststoffe, das auf Schiffen eingerichtet wurde, nur beste Absichten verfolgen. „Die Mitarbeiter der Binnenreederei übernehmen die volle Verantwortung dafür, daß auf den Leichtern in Rogätz nur sortenreine Kunststoffe gelagert werden“, verkündete eine Sprecherin des Ministeriums im Anschluß an das Treffen. Ein Präzendenzfall für das Duale System Deutschland (DSD): Das erste Zwischenlager darf weiterbetrieben werden.

Es soll noch längst nicht das letzte sein. Das DSD erstickt im Plastikmüll. Aber weil der durch die Abfallpolitik des Bundesumweltministers Klaus Töpfer als Wertstoff gilt, sind den Umweltministerien ohnehin die Hände gebunden. „Wir wollen weitere Zwischenlager bei Köln und auch in Norddeutschland einrichten“, sagt DSD-Sprecher Gunnar Sohn. Das stinkt zwar zum Beispiel dem Umweltministerium in Nordrhein- Westfalen. „Aber wir können eigentlich kaum etwas dagegen unternehmen“, so ein Sprecher des Düsseldorfer Ministeriums. „Weil es sich bei diesen Kunststoffen nach der Abfallverordnung um Wertstoffe handelt, ist für solche Zwischenlager keine abfallrechtliche Genehmigung erforderlich.“ Allenfalls über das Baurecht ließe sich gegen solche Zwischenlager vorgehen. „Aber dessen Auflagen lassen sich leicht erfüllen.“

In Rogätz nördlich von Magdeburg will die Deutsche Binnenreederei jetzt für eine Bewachung der Leichter sorgen und auch dafür, daß ein ausreichender Brandschutz bereitsteht.

20.000 Tonnen Kunststoffolien zu Ballen gepreßt sollen auf den malerischen Kiesseen bis mindestens Ende 1994 gelagert werden. Wertstoff, der dem Rogätzer Bürgermeister Günther Homann ganz schön stinkt. Homann hegt den Verdacht, daß dort auch unsortierte Abfälle zwischengelagert werden, weil beim DSD nicht nur die Recycling-, sondern schon die Sortierkapazitäten überlastet sind. Auf den Leichtern fanden sich auch noch gefüllte gelbe Säcke.

Zwar bekräftigen Sprecher der Binnenreederei, daß die in Rogätz zwischengelagerten Kunststoffe ausschließlich aus den neuen Ländern stammen. Bürgermeister Homann sieht darin jedoch eine glatte Lüge. „Das Zeug kommt aus Stade und stammt aus Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein“, ist er überzeugt. Innerdeutscher Müllexport wie zu besten Schönberger Zeiten, glaubt der Bürgermeister, der durch das erste DAS-Zwischenlager für Kunststoffe sein ehrgeiziges Tourismus- Konzept gefährdet sieht. „Wer zeltet und badet schon gern in Riechweite dieser stinkenden Binnenschiffe“, fragt er.

Die Fraktion Bündnis '90/Grüne im Landtag von Sachsen-Anhalt hat Umweltminister Wolfgang Rauls (FDP) jetzt zu ernsthaften Konsequenzen aufgefordert. „Rauls soll dem DSD die Lizenz zur Sammlung und Verwertung und dem Handel die Freistellung entziehen“, so die umweltpolitische Sprecherin Heidrun Heidecke. Das DSD habe unter Beweis gestellt, daß es in absehbarer Zeit nicht in der Lage sei, die gesammelten Kunststoffe zu verwerten.

Dem vom Handel befürchteten Chaos an den Einzelhandelskassen sieht Heidecke gelassen entgegen. Nach der Verpackungsverordnung würde die Rücknahmepflicht erst nach sechs Monaten einsetzen. Zeit genug für den Einzelhandel, praktikable Verfahren zu finden. Und wenn es nur das ist, künftig keine kunststoffverpackten Waren mehr zu ordern. Eberhard Löblich

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