: Sparen an KZ-Gedenkstätten
Dem Bund fehlen Gelder für KZ-Gedenkstätten, aber nicht für die „Zentrale Gedenkstätte des Bundes“, die Neue Wache in Berlin, und zwei Weltkriegsmuseen ■ Von Horst Seferens
Berlin (taz) – Ein Lieblingsprojekt des Kanzlers wird am 14. November, dem Volkstrauertag, eingeweiht: die Neue Wache in Berlin als „Zentrale Gedenkstätte des Bundes“; in der Mitte der Hauptstadt soll „ein Ort des Gedenkens und der Mahnung, ein Ort des Nachdenkens und der Besinnung entstehen“, so der Kanzler. Nach Ansicht von Ignatz Bubis, dem Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, stellt allerdings der nach dem Willen der Bundesregierung neutral gehaltene Widmungstext („den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“) eine „Nivellierung der Opfer“ dar.
Statt der zunächst veranschlagten 750.000 Mark wird die Umgestaltung der Neuen Wache, fast das Doppelte, nämlich 1,4 Millionen Mark kosten. Die finanzielle Beteiligung des Bundes an den KZ- Gedenkstätten schrumpft weiter. Bevor der Haushaltsausschuß des Bundestages kürzlich die „Gesamtkonzeption zur Beteiligung des Bundes an den Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland“ gegen die Stimmen der SPD- Abgeordneten verabschiedete, beschnitt er den vom Innenministerium vorgelegten Entwurf noch einmal entscheidend: Die Mitfinanzierung des Bundes von Gedenkstätten, die an den nationalsozialistischen Terror und Völkermord, aber auch an die Opfer des Stalinismus erinnern, wird vorerst auf die Dauer von zehn Jahren beschränkt werden. Danach soll das Konzept überprüft werden. Mit einem langfristigen Engagement ist nur in den Einrichtungen zu rechnen, wo der Bund bereits zu 50 Prozent an den Betriebskosten beteiligt ist, nämlich in Buchenwald und in der Gedenkstätte „Haus der Wannseekonferenz“.
Das Förderungskonzept ist nach Ansicht des Vorsitzenden des Rechnungsprüfungsausschusses und Gedenkstätten-Berichterstatters seiner Partei im Haushaltsausschuß, Karl Deres (CDU), lediglich eine „Überbrückungsfinanzierung“ für die Gedenkstätten in der Ex-DDR. Grundsätzlich hält der Bund daran fest, daß Einrichtung und Unterhalt von Gedenkstätten Ländersache sind.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Siegfried Vergin forderte angesichts der gesamtstaatlichen Verantwortung für das NS-Erbe eine dauerhafte Beteiligung des Bundes im gesamten Bundesgebiet, denn es bestehe „Handlungsbedarf auch in den Gedenkstätten im Westen“. Der Bundesregierung warf er vor, sie gehe mit diesem Thema um, „daß einem die Haare zu Berge stehen“.
Die jetzt verabschiedeten Leitlinien für eine Förderungswürdigkeit stehen ganz im Zeichen der leeren Bonner Kassen. Lediglich „im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel“ kann der Bund Einrichtungen fördern, die von herausgehobener Bedeutung sind und exemplarisch für einen bestimmten Verfolgungskomplex stehen. Nur „in Ausnahmefällen“ sollen Bundesmittel fester Bestandteil der Betriebskosten sein, von denen mindestens die Hälfte aus dem betreffenden Landeshaushalt bestritten werden muß – jedoch „nach Möglichkeit mehr“, wie es im Beschlußvorschlag des Haushaltsausschusses heißt.
Dem Bonner Sparwillen steht ein enormer Finanzbedarf gegenüber. Allein für die Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück, die vollständig neu konzipiert werden müssen, veranschlagt Jürgen Dittberner, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, einen Investitionsbedarf für dringende substanzerhaltende Maßnahmen von 20 Millionen Mark.
Seine Zuständigkeit – und entsprechende Finanzmittel – reseverviert der Bund jedoch außer für die Neue Wache vor allem für die Errichtung von zwei Weltkriegsmuseen in Berlin. Fest vereinbart mit Rußland ist es, das von den Sowjets in Berlin-Karlshorst eingerichtete Kapitulationsmuseum zu erhalten. Hier soll ein Museum zur Geschichte der deutsch-sowjetischen Beziehungen von 1917 bis 1989 entstehen. Dazu ist eine vollständige Neugestaltung der Ausstellungen notwendig. Es paßt ins Bild, daß sich die Bundesregierung gegen eine Beteiligung Rußlands im Trägerverein sträubt. Als Eröffnungstermin steht bereits der 8. Mai 1995, der 50. Jahrestag der deutschen Kapitulation fest.
Parallel dazu werden in Bonn aus Proporzgründen Überlegungen angestellt, auch ein Museum der Westallierten zu errichten. Alle drei Projekte sollen nach dem Willen der Bundesregierung aus dem Gedenkstätten-Etat bestritten werden. Die sieben Millionen Mark, die er im laufenden Haushaltsjahr umfaßt, fließen ausschließlich in Bundesvorhaben; die KZ-Gedenkstätten gehen leer aus.
Dieses millionenschwere Engagement des Bundes könnte langfristig dazu führen, daß die Schwerpunkte bei der Bewertung des Nationalsozialismus anders gesetzt werden. Der Blick auf die Opfer von Rassismus und Völkermord könnte verstellt werden durch eine neue Perspektivik, die die kriegsführenden Mächte in den Mittelpunkt stellt. Die Neubewertung des Stalinismus in der ehemaligen Sowjetunion könnte dabei der These des „Historikerstreites“ vom „Weltbürgerkrieg“ Vorschub leisten. Danach war Hitlers Weltkrieg lediglich eine Reaktion auf die bolschewistische Bedrohung. Der Holocaust schrumpft dabei zur Randerscheinung.
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