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Deutsche Spediteure haben allen Grund, sich die Hände zu reiben: Der neue Autobahnminister Wissmann holte für sie bei den Verhandlungen der EG-Minister eine drastische Senkung der LKW-Steuern heraus. Die „Regionalvignette“ für LKW soll Bonn Millionen bringen. Von Annette Jensen

Deutsche Brummis künftig auf der Überholspur

So mancher deutsche Großspediteur dürfte am Wochenende Champagner geordert haben. Der Grund zum Feiern: Die Kosten für seine Brummis werden in Zukunft drastisch sinken. Am Samstag abend beendeten die Verkehrsminister der Europäischen Gemeinschaft in Luxemburg einen 25 Jahre währenden Konflikt um mehr Wettbewerb im Straßengüterverkehr: Die Preise für LKW- Transporte werden weitgehend angeglichen.

Deutschland, Dänemark und die Benelux-Staaten hatten sich offenbar schon im Vorfeld der Sitzung auf eine „Regionalvignette“ geeinigt. Für einen LKW ab 12 Tonnen, der auf den Autobahnen dieser Länder unterwegs ist, sollen ab Januar 1995 jährlich 1.250 Ecu (rund 2.500 Mark) fällig werden. Auch billigere Monats-, Wochen- oder Tageskarten sind vorgesehen. Deutschland als Haupttransitland kassiert von diesen Einnahmen mit 73 Prozent den größten Batzen aus dem gemeinsamen Topf. Belgien erhält 14, die Niederlande neun, Dänemark drei und Luxemburg ein Prozent der Einnahmen. Berechnungsgrundlage war die Länge der Autobahnkilometer in den jeweiligen Ländern. Verkehrsminister Matthias Wissmann rechnet damit, daß auf diese Weise etwa 300 bis 500 Millionen Mark in die deutsche Staatskasse fließen.

Zugleich bekam die Bonner Regierung grünes Licht für eine Senkung der Kraftfahrzeugsteuer für Lastwagen. Der frischgebackene deutsche Verkehrsminister verkündete den heimischen Fuhrunternehmern die für sie frohe Kunde: Höchstens die Hälfte der heute 10.500 Mark für einen 40-Tonner sollen ab Anfang nächsten Jahres noch fällig werden. Und für moderne Brummis mit vergleichsweise geringeren Lärm- und Dreckemissionen muß nach Vorstellung des Verkehrsministers sogar noch weitaus weniger in die Kasse von Finanzminister Theo Waigel überwiesen werden. Damit dürfte sich die deutsche Kfz- Steuer in etwa der des Nachbarlandes Holland annähern, wo die Spediteure umgerechnet nur etwa 3.300 Mark für jeden Schwerlaster zahlen müssen. „Sämtliche Ziele, die wir erreichen wollten, sind erreicht. Ein Riesenerfolg“, jubelte der Sprecher des Verkehrsministeriums Steinle gestern. Sein Chef hatte im Vorfeld der Sitzung die Chancen mit 40 zu 60 Prozent eher pessimistisch eingeschätzt.

Für das Entgegenkommen insbesondere von seiten Hollands und Dänemarks war Matthias Wissmann dann auch bereit, den einzigen Trumpf aus der Hand zu geben, den er für die deutschen Fuhrunternehmer bis dahin sorgsam gehütet hatte: die Karbotageregelung. Bis zum Juli 1998 soll der EG-Binnenmarktverkehr vollständig liberalisiert werden. Dann darf jeder EG-Spediteur auch Waren von München nach Hamburg oder von Rotterdam nach Amsterdam transportieren. Bisher war nur eine begrenzte Zahl an Fuhren innerhalb der Grenzen eines anderen Landes erlaubt, so daß bei etwa 30 Prozent der Fahrten die Ladefläche leer blieb.

Die Tagesordnung der Bonner Ministerriege dürfte damit in der kommenden Woche zu einem Großteil von verkehrspolitischen Themen beherrscht sein. Denn weil die Vignette erst ab 1995 erhoben, die KFZ-Steuer aber schon ab 1994 gesenkt werden soll, muß Matthias Wissmann eine Kompensation für die leere Bonner Kasse vorschlagen. Schon am Wochenende hat er angekündigt, daß die Mineralölsteuer ab Anfang nächsten Jahres um „weniger als 20 Pfennig“ pro Liter, der Kraftstoff für LKW-Diesel sogar noch weit weniger verteuert werden soll. Außerdem will er auch die Vi-

gnette für PKWs wieder aufs Tapet bringen; Weil sie keine Handelsfragen betrifft, braucht er dazu nicht die Zustimmung seiner EG- Amtskollegen. Und schließlich hieß es nach Abschluß der Sitzung in Luxemburg aus dem Verkehrsministerium, daß die EG-Verhandlungspartner signalisiert hätten, daß auch einer elektronisch erhobenen Autobahngebühr in Deutschland nichts im Wege stehen werde, wenn ab 1997 oder 1998 die technischen Voraussetzungen dafür gegeben seien.

Es ist abzusehen, daß durch die Entscheidung in Luxemburg ein weiteres Loch in den ohnehin löchrigen Bundesfinanzsack geschnitten wird. Denn im März konnte die Regierung sogar ihre eigene CDU/ CSU-Fraktion nicht von 13 Pfennig mehr pro Liter Benzin und Diesel überzeugen, obwohl die Kilometerpauschale für PendlerInnen erhöht wurde. Die damals erhofften Mehreinnahmen von acht Milliarden Mark hätten in etwa der Schuldentilgung der Bahn entsprochen, für deren Finanzierung das Verkehrsministerium Vorschläge machen muß. Die Bahnreform selbst wäre damit freilich noch nicht zu bezahlen. Und jetzt muß in Bonn zusätzlich Geld eingetrieben werden für die Senkung der KFZ-Steuer für LKW. Daß die CDU/CSU-Fraktion mit Rückendeckung von ADAC und anderen

Lobbygruppen der deutschen AutofahrerInnennation eine Erhöhung der Mineralölsteuer bei gleichzeitiger Einführung der Vignette zumuten, darf bezweifelt werden.

Ex-Verkehrsminister Krause dürfte gestern in seinem wohlgepflegten Haus in Mecklenburg etwas wehmütig die Nachricht aus Luxemburg aufgenommen haben. Denn die Durchsetzung der Vignette war ihm stets eine Herzensangelegenheit gewesen. Der Europäische Gerichtshof hatte die deutschen Pläne, eine solche Gebühr ab dem 1. Juli 1990 im Alleingang einzuführen und zugleich die KFZ- Steuern auf holländisches Niveau zu senken, durch eine einstweilige Verfügung gestoppt. Im Mai letzten Jahres begründeten die Richter ihre Entscheidung damit, daß die gleichzeitige Einführung eine Diskriminierung ausländischer Marktteilneh-

mer darstelle. Seither suchte Krause fieberhaft nach einem Weg, beide Maßnahmen doch noch durchzusetzen, ohne daß sie als Paket er-

schienen — und scheiterte damit mehrfach. Auch seine Vorgänger Werner Dollinger und Friedrich Zimmermann, auf dessen Konto die Schlappe vor dem Europagericht ging, rutschten auf dem europäischen Parkett beim Versuch, die deutschen Spediteure zu entlasten, immer wieder aus.

Daß der vierundvierzigjährige Matthias Wissmann sich nach nur sechswöchiger Amtszeit durchsetzte, ist wohl nicht nur auf sein von Verhandlungsteilnehmern bestätigtes Geschick zurückzuführen. Vor allem die Kosten von nur 2.500 Mark für die Jahresvignette ließen die Niederländer wohl weich werden. Ursprünglich wollten die Deutschen für sich allein bis zu neuntausend Mark kassieren.

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