piwik no script img

„Kein objektives Prüfverfahren“

■ Röntgen-Affäre am UKE: Behörde fordert Beweise

Nachdem die „Hamburger Morgenpost“ Ende vergangener Woche behauptete, bei der Bestrahlung von Darmkrebspatientinnen sei es aufgrund überhöhter Strahlendosen so überdurchschnittlich oft zu schwersten Nebenwirkungen gekommen, daß viele Ärzte ihre PatientInnen nicht mehr zur Strahlentherapie ins UKE geschickt hätten, wurde gestern erstmals ein konkreter Fall bekannt. Die an Darmkrebs erkrankte 56jährige Thea S. soll im August 1992 an den Folgen der Strahlenbehandlung gestorben sein; ihr Mann hat auf Schadensersatz geklagt.

Die Wissenschaftsbehörde betont trotz der Veröffentlichung, ihr lägen „keinerlei Hinweise“ vor, daß es im UKE zu einer „auffälligen Häufung der Strahlengeschädigten gekommen“ sei. Behördensprecher Rosenfeld: „Schwer erkrankte Darmkrebspatienten, die mit Strahlen- oder Chemotherapie behandelt werden, behalten 15 bis 20 Prozent Schäden aus der Therapie zurück, da die Strahlendosis etwa so hoch gewählt werden muß, daß der Krebs darauf anspringt.“ Rosenfeld weiter: „Die Zahlen, die hier von einigen Presseorganen genannt werden, sind uns nicht bekannt; erst wenn wir konkrete Beweise auf den Tisch bekommen, können wir tätig werden.“

Die Wissenschaftsbehörde selbst sei in den vergangenen Jahren nur in zwei Fällen von vermeintlichen Strahlenopfern über ihre Schädigungen unterrichtet worden. „Im Fall Thea S. haben wir angeboten, ein Gutachten erstellen zu lassen, das die Vorwürfe aufklärt.“ Der von dem Mann der Verstorbenen beauftragte Anwalt sei auf dieses Angebot aber „nicht eingegangen und hätte sich nicht wieder gemeldet“.

Der angesprochene Anwalt Wilhelm Funke hält dagegen: „Das wäre kein objektives Prüfungsverfahren gewesen, denn die behandelnden Ärzte hätten sich quasi selbst begutachtet“. Funke weiter: „Mein Mandant wollte der Uni-Klinik nicht die Möglichkeit geben, sich selbst einen Persilschein auszustellen“. Bereits im Oktober 1992 habe der Mann der Verstorbenen „schriftlich Ansprüche an die Hansestadt geltend gemacht und versucht, über die Schlichtungsstelle für Arzthaftungsfragen in Hannover die Behandlung überprüfen zu lassen“. Erfolglos. Funke: „Als einziges staatliches Krankenhaus der Hansestadt erkennt das UKE die Schlichtungsstelle nicht an.“ Patient der Uni-klinik seien deshalb „bei Verdacht auf Behandlungsfehler schlechter gestellt als in jedem anderen Krankenhaus“.

Marco Carini

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen