: Geldstrafe wegen Prügel
■ Polizisten-Schläge bei Hertie Quarree-Demo: Körperverletzung im Amt
Der 33jährige Vize-Zugführer des Einsatzzugs-Süd, Gerd Schröder, wurde gestern vom Altonaer Amtsgericht zu 4200 Mark Geldstrafe wegen „Körperverletzung im Amt“ verurteilt. Damit ging Amtsrichter Siegfried Schulz-Jordan deutlich über das zuvor per Strafbefehl verhängte Strafmaß von 1200 Mark. Schulz-Jordan sah den Polizisten Schröder als „überführt“, dem Journalisten Oliver Neß am 29. April 1992 während einer Protestaktion orthodoxer Juden vorm Hertie Quarree vorsätzlich einen „Ellenbogencheck“ in den Bauch und später eine „Ohrfeige“ an die Wange verpaßt zu haben. Schulz-Jordan: „Der Zeuge Neß hatte keinen Anlaß zum Angreifen gegeben.“
Der Prozeß hatte in den vergangenen Tagen in Polizei- und Journalistenkreisen und bei der IG Medien große Resonanz gefunden. Einerseits, weil es erstmals gelungen war, einen Polizisten dingfest zu machen, der einen Journalisten tätlich angegriffen hat. Anderseits, weil der Beamte Schröder für den Vorfall falsche Zeugen präsentierte, um sich von dem Vorwurf reinzuwaschen. Schröder hatte - wie berichtet - durch Eigenermittlungen zwei Lkw-Fahrer sowie zwei Motorradpolizisten aufgeboten, die bekundet haben, daß es den Vorfall nie gegeben habe.
Schulz-Jordan: „Die Zeugen haben objektiv eine andere Situation gesehen und objektiv falsche Bekundungen gemacht.“ Ob gegen Schröders Kollegen ein Verfahren wegen Meineids und falscher uneidlicher Aussage eingeleitet wird, wollte der Richter dem Staatsanwalt überlassen. Der Richter ermahnend in der Urteilsbegründung: „Jeder hat das Recht, sich zu verteidigen, auch mal zu lügen. Aber sie haben mehr getan, als sie hätten tun dürfen.“
Schröders Anwalt Michael Bertling hatte zuvor auf Freispruch plädiert. Für ihn habe es gar keine Körpverletzung gegeben, weil Oliver Neß keinerlei attestierbare Verletzungen erlitten habe. Bertling: „Es gab keine rote Wange.“ Auch bezweifelt Bertling die Richtigkeit der Aussagen von zwei Reporter, die die Schläge gegen Neß gesehen hatten. Da sowohl Zeugen als auch das Opfer Journalisten sind, drängte sich für Bertling der Verdacht auf, daß die Reporter im „Gruppenwahn“ ausgesagt hätten.
Oliver Neß hatte zu Beginn seiner Stellungnahme nochmals die Bedeutung des Prozesses hervorgehoben: „Polizeiübergrifffe auf Journalisten haben in Hamburg Kontinuität.“ Neß hatte das Gericht aufgefordert, durch ein „deutliches Urteil ein Zeichen“ zu setzen, um anderen Polizisten keinen Freibrief zu verschaffen, „Pressvertreter brutal zu verpügeln“. Neß: „Was wäre wohl los gewesen, wenn ich Herrn Schörder, einem Polizisten,eine geballert hätte?“
Der Nebenkläger bedauerte, daß der Angeklagte in diesem Verfahren mit Samthandschuhen angefaßt worden sei und bis zuletzt immer noch eine Einstellung des Verfahrens im Raum gestanden habe, nur weil Schröder ein Polizeibeamter ist.
Doch dieser pauschalen Auffassung konnte und wollte sich das Gericht dann doch nicht anschließen. ichter Schulz-Jordan in seinem Schlußkommentar: „Eingriffe gegen die Meinungs- und Pressefreiheit müssen bekämpft werden. Aber das Verfahren eignet sich nicht als Generalabrechnung, daß die Pressefreiheit von der Innenbehörde und Polizei beeinträchtigt worden ist.“
Kai von Appen
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