: Kitz aller Kitze
■ Nach 50 Jahren zurück: „Bambi“, der fünfte von allen Disney-Filmen
Heiliger Bimbam: Bambi ist wieder da. Reh aller Rehe bzw. Hirsche. Und Klopfer: Hase aller Hasen! Und lieblich perlen wieder die Regenschnüre durch den Wald: Wald aller Wälder.
Ja, Bambi is back, grade so, als wär's extra wegen uns gekommen und bald wieder Frieden auf Erden und alles ein Wohlgefallen. Denn mit Bambi ist auch die Natur zurückgekommen; und zwar natürlicher, als wir sie je in Erinnerung hatten. Wie ein dickes Kissen liegt der Schnee auf den Bäumen, wie Schwanensee tanzen die Blätter im Herbst und tragen ihr Rot hoch erhobenen Hauptes. Wie Donnerhall braust der Wasserfall und besteht doch aus lauter reizend einzelnen Tröpfchen, die sprinkeln lieblich über die Ufer und machen am Ende pling.
Walt Disney, der heillos Heile, hat mit Bambi einen Naturfilm geschaffen, der jeden Naturfilm in die Ecke stellt. Ja, man möchte sagen, daß Naturaufnahmen selten so beeindrucken. Nirgends schweigt der Wald so tief wie bei Disney, und nirgends ist er gleichzeitig so belebt. Während oben die Baumkronen raunen, selbstverständlich Blatt für Blatt, kichern unten in allen Wurzelstümpfen die Seelchen des Waldes und beleben das archaisch Bedrohliche der Natur aufs Gemütlichste.
Die Romantiker hätten Disney wohl trotz der wispernden Wesenheitchen nicht besonders gemocht, denn seine Natur ist durchaus ungepflegt, wild und gemein. Bambi ist einer der wenigen Zeichentrickfilme aus der Niedlichkeitsfabrik Disney, in dem es weder von beredten Mäusedetektiven noch von aufmüpfigen Teekannen wimmelt, sondern wo allein der Wald die Welt gibt, und zwar die bessere. Und die Tiere die besseren Menschen.
Botschaft: Der Wald ist warm, der Wald ist kalt. Aber allein der Mensch ist grausam und Jäger. Und bringt Tod und Vernichtung auch von Stupsnasen und Kulleraugen. Und statt des Feuers gleich die Feuersbrunst.
Trotzdem geht immer wieder unglaublich die Sonne auf und überzieht die schwarzen Blätter mit leisen Regenbögen. Und wieder lispelts im Unterholz wie das leibhaftige Prinzip Hoffnung und wackelt jemand mit seinem Schwänzchen, als wollte er uns zu sich winken. So bricht einem nie wirklich das Herz, sondern höchstens der Verstand.
Eine merkwürdige Gesellschaft kommt da nach über 50 Jahren Entstehung auf uns zurück: eine Art utopischer Entwurf für eine verschworene Solidargemeinschaft. Entworfen von einem, der wie ein Gralssucher das Erhabene finden wollte. Einer, der zutiefst enttäuscht war, daß „Bambi“, sein Lieblingsfilm und natürlich wieder in fünfjähriger Arbeit von einer Hundertschaft erzeichnet, nicht die gleiche Resonanz hatte wie etwa Schneewittchen mit all seinen reizenden Zwergen und tanzenden Holzlöffeln.
Einer, der in der McCarthy-Ära Kommunisten verfolgte wie das personifizierte Böse und Heerscharen von Kinobesuchern gleich mitretten wollte vor allem Übel. Und ihnen eine Kunde gab von einer besseren Seelenlandschaft. Ein merkwürdiges Tier, dieses Bambi. Bloß Feiglinge leihen sich jetzt wieder Kinder zum Kino.
Claudia Kohlhase
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen