■ Indianische Küche hat Hochkonjunktur in Mexiko
: Leguanschwänze und Gürteltiersteaks

Mexiko-Stadt (AP) – Man nehme die Eier von Honigameisen, lasse sie ein paar Sekunden in kochendem Wasser ziehen und dünste sie dann kurz in etwas Fett – fertig ist der „Kaviar“ auf aztekische Art. In Mexiko ist aztekische Küche der letzte Schrei. Die Vorliebe für die indianischen Gerichte beschränkt sich dabei nicht auf gängige Spezialitäten wie Langusten, Wildschwein oder Chilis: auch Exotisches wie gegrillte Käfer, gebratene Leguanschwänze oder gedünstete Blätter von Feigenkakteen finden sich auf den Speisekarten. Besonderheit des Restaurants „Bellinghausen“ in Mexiko-Stadt sind gebratene Faseragavenwürmer in Avocado-Sauce; eine Portion kostet umgerechnet fast 50 Mark – ein stolzer Preis für mexikanische Verhältnisse. Was bringt die Leute dazu, so viel Geld für ein Gericht auszugeben, bei dem sich manchem Europäer der Magen umzudrehen droht? „Es soll viele Vitamine enthalten“, sagt der Oberkellner im „Bellinghausen“, Don Celsio. „Und außerdem heißt es, es wirke wie ein starkes Aphrodisiakum. Aber das ist Unsinn.“ Don Celsio berichtet, die Nachfrage nach aztekischen Spezialitäten habe sich in den vergangenen 20 Jahren entwickelt. Der gebürtige Amerikaner Nick Noyes, der vier Luxusrestaurants in der mexikanischen Hauptstadt betreibt, bestätigt dies. Der 61jährige rühmt sich, Erfinder des aztekischen „Kaviars“ zu sein. In seinem Lokal „Delmonico“ serviert er Tortillas, gefüllt mit gedünsteten Blüten von Kürbisgewächsen oder einem besonderen Pilz namens Cuitlacoche. Gewürzt wird das Gericht mit Zwiebeln und Knoblauch.

Doch die aztekische Küche hat nicht nur Hochkonjunktur in den teuren Restaurants. Auch die billigeren Kneipen haben solche Gerichte in ihre Speisekarten aufgenommen. Der Wirt von „Don Chon's“, einer Gaststätte in der Nähe des Marktes La Merced, sagt: „Wir servieren alles. Wie früher bei den Azteken wird auch bei uns nichts verschwendet.“ Er bringt Kuchen aus Faseragaven mit Tomatensauce auf den Tisch, Gürteltiersteak oder Eintöpfe mit Chrysanthemen- und Rosenblättern. In ländlichen Gegenden Südmexikos sind Gerichte mit Faseragavenwürmern, Ameisen oder Avocadofliegen, die in der Hauptstadt für teures Geld als Spezialität angeboten werden, auch heute noch populärer als Schweine- oder Rindfleisch. Viele Mexikaner züchten zwar Schweine, aber nur, um sie zu verkaufen. Sie halten das Schwein für ein unreines Tier und essen sein Fleisch nicht. Isaac Levi