Kommunalwahlen mit Überraschungen

Norditalienische „Ligen“ und Ex-Kommunisten erfolgreich, Regierungsparteien außen vor  ■ Aus Rom Werner Raith

Mit einer Reihe von Trendbestätigungen, aber auch mit einigen faustdicken Überraschungen sind Sonntagnacht in Italien die Stichwahlen zu Ende gegangen, denen sich die beiden jeweils stimmstärksten Kandidaten der Kommunalwahl vom 6. Juni zu stellen hatten. Im Norden wurden die auf Oberitalien beschränkten Ligen erwartungsgemäß weitgehend in ihrer Stärke bekräftigt: mit nur einen Handvoll Ausnahmen – so etwa in Belluno – stellen sie nun in fast 80 Prozent der Nord-Gemeinden den Bürgermeister und überwiegend auch die Stadtratsmehrheit. Im Zentrum – zwischen Siena und den Vororten von Neapel – kamen dagegen nahezu alle von der KP- Mehrheits-Nachfolgeorganisation „Partito democratico della sinistra“ (PDS) alleine oder in Koalitionsverbindungen aufgestellten Bürgermeisterkandidaten durch. Im Süden konnten sich sowohl PDS-Anwärter wie Reformanhänger der Democrazia cristiana (DC) oder Dissidenten der Katholikenpartei auf den Stadtvater-Sesseln plazieren.

Zu den besonderen Überraschungen gehörte die Wahl von Professor Valentino Castellani in der Automobilstadt Turin. Er war von der PDS und einer Querbeet- Koalition aus Grünen und Reformkatholiken unterstützt worden und hatte gar den ausdrücklichen Segen von FIAT-Chef Gianni Agnelli, dem ungekrönten König der Stadt. In Turin war der ehemalige Bürgermeister Diego Novelli, Journalist, Saubermann (er brachte vor zehn Jahren die halbe Stadtverwaltung wegen Korruption vor Gericht) und Galionsfigur der Antikorrputionsbewegung „la Rete“ als haushoher Favorit gehandelt worden.

Der Durchfall des „Rete“-Kandidaten markiert den spektakulärsten Fall der Absage der Wählermehrheit an die Antikorrputionsbewegung – und eine Blamage für die Meinungsforscher ohnegleichen: sie hatten nicht nur Novelli weit vor allen Konkurrenten gesehen, sondern auch in Mailand dem Soziologie-Professor Nando dalla Chiesa einen deutlichen Vorsprung vor allen anderen prophezeiht. Doch dalla Chiesa war schon im ersten Durchgang vor 14 Tagen weit hinter dem „Liga“-Kandidaten Marco Formentini gelandet und brachte es auch jetzt auf nur 44 Prozent.

Im sizilianischen Catania, wo zwei Kandidaten nahezu derselben Denkrichtung in die Stichwahl kamen, hatte ebenfalls der „Rete“- Kandidat Claudio Fava das Nachsehen, hier gegen den von PDS, Republikanern und Grünen unterstützten Enzo Bianco, der bereits 1988-89 die Stadt geleitet hatte (und dann mit Hilfe mafioser Machenschaften ausgehebelt worden war). Hier war das Ergebnis in anderer Hinsicht überraschend: Fava waren im ersten Wahlgang gerade 16 Prozent vorausgesagt worden, er bekam aber weit über 20. Für die Stichwahl kalkulierten die Meinungsforscher ca. 40 Prozent, doch am Ende fehlten nur weniger Stimmen und er hätte es geschafft, das Ergebnis lautete knapp 52 gegen gut 48 Prozent.

Die nun abgeschlossenen Urnengänge sind Italiens erstes Experiment mit der Direktwahl von Bürgermeistern sowie einem Gemeindewahlgesetz, das im Großteil des Landes – Sizilien macht nicht mit – der im 2. Wahlgang siegreichen Koalition einen Mehrheitsbonus verschafft. Das soll eine stabilere Administration als bisher gewährleisten: die Überlebensdauer einer Stadtverwaltung in den letzten 20 Jahren lag bei durchschnittlich 11 Monaten.

Außerdem soll es die Bürgermeisterämter aus dem Schacher um Posten und Etats herausnehemen, den Italiens Parteien jedesmal begannen, wenn in Rom eine neue Regierung ans Ruder kam. Das war seit Kriegsende immerhin 51 mal der Fall. Kritiker wenden nach den ersten Erfahrungen jedoch ein, daß das neue System die Stichwahlkandidaten zu einer geradezu haarsträubenden Mauschelei zur Akquirierung der noch fehlenden Stimmen zwingt – bei der es dann genau wieder um Posten und Etats geht wie schon vordem.