: Abschiebehaft bei Jugendlichem gerügt
■ Landgericht stellt fest: Völlig unangemessen
Abschiebehaft bei
Jugendlichem gerügt
Landgericht stellt fest: Völlig unangemessen
Als „völlig unangemessen“ hat das Landgericht Hildesheim die Anordnung von Abschiebehaft gerügt, die das örtliche Amtsgericht gegen einen 14 Jahre alten kurdischen Jungen aus der Türkei entschieden hatte. Die Abschiebehaft war von der Ausländerbehörde des Landkreises Hildesheim im Februar beantragt worden. Haftrichter Christian Stoll hatte wie beantragt eine dreimonatige Haft angeordnet, weil der Junge in die Illegalität untertauchen könnte. Nach Angaben eines Sprechers des Oberlandesgerichts (OLG) Celle wurde eine Beschwerde des Landkreises gegen die Entscheidung des Landgerichts inzwischen zurückgewiesen.
Die Begründung der Abschiebung beurteilt die fünfte Zivilkammer des Landgerichts als nicht stichhaltig: Es sei keineswegs erkennbar gewesen, daß der 14jährige untergetaucht wäre und sich einer Abschiebung entzogen hätte. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei mit der Anordnung einer dreimonatigen Abschiebehaft verletzt worden.
Der 14jährige war im Dezember illegal ohne Visum zu seinem seit mehreren Jahren in Deutschland lebenden älteren Bruder nach Söhlde bei Hildesheim gereist. Der Vater ist verstorben, die Mutter nach Angaben des Bruders schwer krank. Dieser nahm den Jungen auf und meldete ihn in der Hauptschule an. Nach der Entscheidung des Amtsgerichts wurde der 14jährige am 1. März in der Hauptschule Söhlde festgenommen und am Tag darauf in die Heimat abgeschoben.
Haftrichter Stoll erklärte auf Anfrage, das Urteil des Landgerichts decke „keinen Rechtsfehler“ auf, sondern lege „lediglich die Verhältnismäßigkeit anders aus“. Der Begriff sei nun einmal dehnbar. Der Landkreis Hildesheim habe ihm die Fluchtgefahr bei dem 14jährigen „glaubhaft dargelegt“. In den wenigen Fällen, in denen bisher in Hildesheim Abschiebehaft aufgehoben worden sei, seien die Betroffenen „ausnahmslos“ untergetaucht. dpa
(AZ-OLG: 17 W 18/93; AZ-LG: 5 T 122/92)
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