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Nachschlag

■ Michel Schneider im Institut Français

Die von Jack Lang nach dem Wahlsieg der Sozialisten 1981 in Frankreich medienwirksam geforderte Auflösung des Kulturministeriums – schließlich finde Kultur überall statt – wurde jetzt, zumindest ihn betreffend, erfüllt: Die konservative Regierung unter Baladur suchte sich einen anderen Minister; von der Auflösung des Ministeriums wird aber heute schon wieder gesprochen.

Diese im Ausland kaum bekannten Querelen waren Montag abend im Institut Français Unter den Linden Thema eines Vortrags, den der Musikwissenschaftler und Essayist Michel Schneider hielt. Zugrunde lag sein derzeit in Frankreich vieldiskutiertes Buch „La Comédie de la culture“ (édition Seuil, Paris 1993, 208 S., 95 F). Danach hatte die intellektuelle Lichtgestalt Jack Lang, oft in einem Atemzug mit de Gaulles Kulturminister André Malraux genannt, etliche Kratzer abbekommen. Inwieweit Schneider, von 1988 bis 1991 Leiter der Abteilung Musik und Tanz, mit seinem Chef noch privat ein Hühnchen zu rupfen hatte und dies dann als eine „Kritik von links“ der Öffentlichkeit servierte, mag dahingestellt sein.

Seine Beobachtungen sind jedenfalls desillusionierend. Zwar stieg der Kulturetat von 1981 bis 1993 auf das Dreifache, aber vom erklärten Ziel der Sozialisten, die Kultur für das ganze Volk zu öffnen, sei man weiter als zuvor entfernt; in Opern und Theatern beispielsweise gibt es nicht einmal simple Preisreduzierungen für Schüler und Studenten. „Die französische Neigung, sich selbst als vollständig von Kultur durchtränkt zu sehen, erschwert immer wieder eine nüchterne Analyse.“ Statt dessen habe man Großprojekt nach Großprojekt in Angriff genommen, eine Dezentralisierung mit zentralistischen Mitteln versucht, viel Lärm, aber wenig Substanz geschaffen. Anstatt sich den Erfahrungen von jungen Musikern in den Banlieus zuzuwenden, habe man ein schrilles und fragwürdiges „Amalgam aus Pierre Boulez und Public Enemy“ geschaffen.

Schneider diagnostizierte eine Mischung aus elitärer Hochkultur, populistisch vermarkteter moderner Vielfalt und ungeahnter Korruption. Um an die Fleischtöpfe des Ministeriums heranzukommen, sei gekungelt und die Fähigkeit gepflegt worden, den Kunstgeschmack des Ministers schon im voraus zu erahnen. Das Ministerium sei immer aufgeblähter geworden, letzte Instanz für alle Dinge, auch jenseits kultureller Belange. Ob eine „wirklich linke“ Politik dies geändert und nicht die Unterwerfung unter „linke“ Postulate gefordert hätte, sei dahingestellt. Schließlich ist auch zu fragen, ob Schneiders Forderung nach Öffnung der Kultur nicht auch erziehungsdiktatorische Ansprüche geltend macht. Dennoch: Das Versäumnis der Sozialisten gegenüber dem nicht sofort Vermarktbaren wiegt, gemessen am eigenen Selbstverständnis, schwer. Michel Schneiders Buch erweist sich dabei als wichtig, einer nachfolgenden Verklärung der „Ära Jack Lang“ entgegenzuwirken. Marko Martin

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