: Ökologische Bauordnung aufgeweicht
Bausenator setzt mit neuer Richtlinie PVC-Verbot in Teilen außer Kraft / AL kritisiert: „Unheimliche Sauerei“ / Bauverwaltung macht EG-Recht als Grund für die Änderung geltend ■ Von Ulrich Jonas
Die Senatsbauverwaltung scheint die Ökologie nicht mehr so wichtig zu nehmen, wie sie gerne behauptet: Das legt zumindest die seit März gültige Neufassung der Baurichtlinien nahe, die das Verbot der Verwendung von PVC-haltigen Bauteilen im Rahmen von öffentlich geförderten Modernisierungen teilweise außer Kraft setzt. Für Renovierungsmaßnahmen, die nicht unter die „soziale Stadterneuerung“ oder die sogenannte „Mietermodernisierung“ fallen, heißt es nun, der Gebrauch von PVC solle „vermieden werden“, soweit geeignete Ersatz-Bautoffe zur Verfügung stünden. Vorher war PVC ausdrücklich verboten.
Diese Änderung hält Bernd Köppl von den Grünen/AL für eine „unheimliche Sauerei“. Bausenator Nagel habe die „ökologische Baurichtlinie“, 1990 vom rot- grünen Senat beschlossen und von Nagel als „großer Erfolg“ angepriesen, „still und heimlich und an den zuständigen Ausschüssen vorbei außer Kraft gesetzt“. In dieser Richtlinie war die Vergabe öffentlicher Fördergelder an die Verwendung ökologisch verträglicher Baustoffe gekoppelt worden. „Offensichtlich steht Nagel unter dem Druck der Wirtschaft“, sagte Köppl der taz. Die Änderung sei um so tragischer, als in Hessen gerade eine PVC-Verbotsordnung nach Berliner Vorbild vorbereitet werde. Köppl kündigte ein „parlamentarisches Nachspiel“ an. PVC ist nach Köppls Aussage ein hochproblematischer Stoff. Die Entsorgung sei ungeheuer schwierig, da es praktisch nicht verrotte. Bei seiner Verbrennung entsteht das hochgiftige Dioxin.
Die Vorwürfe Köppls möchte Peter Foerster-Baldenius, Referatsleiter „Ökologischer Städtebau“ beim Bausenator, so nicht gelten lassen. Gegenüber der taz erklärte er, die Änderung sei „keine gravierende Sache“, da nur Einzelmaßnahmen wie beispielsweise der Einbau von Schallschutzfenstern, nicht jedoch ganze Gebäuderenovierungen betroffen seien. Auch bürokratische Hindernisse würden für die Änderung sprechen: „Bei der Vielzahl der beantragten Maßnahmen kann man nicht immer alles überprüfen und kontrollieren.“ Er räumte jedoch ein, daß auch er einen Erhalt des Verbots aus ökologischen Gründen für sinnvoll gehalten hätte, zumal PVC fast in jedem Fall durch andere Stoffe ersetzt werden könne. Nach Foerster-Baldenius' Angaben machen die von der Änderung betroffenen Renovierungsarbeiten etwa 20 Prozent des Geldvolumens aller vom Land Berlin geförderten Baumaßnahmen aus.
Dieter Geffers, Referatsleiter „Stadterneuerung“ beim Bausenator, machte rechtliche Probleme für die Aufweichung des PVC- Verbots verantwortlich: Der Wirtschaftssenator habe der Befürchtung Rechnung getragen, „bei der EG hängenzubleiben“, da die Förderrichtlinien mit dem EG-Recht konformgehen müßten. Ein PVC- Verbot auf EG-Ebene gebe es jedoch nicht. Der Widerstand seitens der Baubranche gegen das PVC- Verbot sei nicht der entscheidende Grund für die Änderung. Zum Vorwurf mangelnden Demokratieverständnisses in seiner Behörde sagte er: „Es gibt keinen formellen Grund, Ausschüsse zu informieren.“
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