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Wieder warten alle auf die Roten Roben

■ Bundesverfassungsgericht beendet Verhandlung über Somalia-Einsatz der Bundeswehr / Zunächst noch kein Urteilstermin festgesetzt

Karlsruhe (AFP/taz) – Um 17.30 Uhr gestern abend beendeten die Verfassungsrichter die Verhandlung im entscheidenden Verfahren über die zukünftige Rolle der Bundeswehr. Ursprünglich sollte auch heute noch weiterverhandelt werden. Einen Termin für die Urteilsverkündung gaben die Richter zunächst noch nicht bekannt. Man rechnet jedoch allgemein damit, daß die Entscheidung noch diese Woche fallen wird.

In dem Verfahren hatte die Bundesregierung den „ernsthaften Schaden“ für das Ansehen Deutschlands beschworen, wenn die Truppe aus dem ostafrikanischen Land abziehen müßte. Dies gelte vor allem für die Stellung der Bundesrepublik innerhalb der Vereinten Nationen, sagte Außenminister Klaus Kinkel (FDP) bei der Anhörung. Deutschland wolle „in absehbarer Zeit“ in den UN-Sicherheitsrat, hob Kinkel hervor.

Dagegen sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Klose, der Bundesregierung gehe es nicht um humanitäre Hilfe, sondern um eine grundlegende Veränderung der deutschen Außenpolitik. Mit ihrem Antrag auf einstweilige Anordnung will die SPD erreichen, daß die bereits nach Somalia entsandten deutschen Soldaten zurückgeholt und keine weiteren Kontingente entsandt werden. Klose zitierte aus einem Schreiben des Verteidigungsministeriums, in dem mit Blick auf den Golfkrieg gefordert wurde, neue Rahmenbedingungen für Bundeswehreinsätze zu schaffen und dabei „verfassungspolitische Bedenken zurückzustellen“. Er warf der Bonner Koalition vor, bei der UNO auf einen Bundeswehreinsatz für Somalia bestanden zu haben. Die Bundesregierung habe Schritt für Schritt versucht, die Außenpolitik am Grundgesetz vorbei zu verändern.

Kinkel bestritt das und sagte, UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali habe ausdrücklich um ein Armee-Kontingent gebeten. Kinkel warnte, auch der Ansehensverlust bei den Verbündeten wäre bei einem Abzug aus Somalia „im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit“ immens. In Somalia herrsche „Anarchie, Chaos und Gewalt“.

Zudem habe Deutschland zu bedenken, daß Somalia den Einsatz der GSG 9 zur Befreiung der von Terroristen entführten Lufthansa-Maschine „Landshut“ erlaubt habe. Auch für die Moral der bereits entsandten Bundeswehrsoldaten wäre ein Rückzug „katastrophal“. Der stellvertretende UN-Generalsekretär Wladimir Petrowski betonte die „wachsende Rolle Deutschlands bei den Bemühungen, weltweite Änderungen in demokratische Bahnen zu lenken“. Bereits am Vormittag hatte Klose der Regierung vorgehalten, den ursprünglich humanitären Einsatz der Bundeswehr auf die logistische Unterstützung für kämpfende UN-Truppen erweitert zu haben.

Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) unterstrich dagegen, daß die deutschen Soldaten nur logistische Hilfe leisten dürften. Darüber werde der deutsche Kommandeur in Somalia wachen. Der 2. Senat hatte die Bundesregierung in einem umfangreichen Fragenkatalog unter anderem um Auskunft darüber gebeten, welchen logistischen Auftrag die Bundeswehr in Somalia hat und was die Bundesregierung unter einer „befriedeten Region“ versteht.

Die Sozialdemokraten halten den Somalia-Einsatz auch deshalb für verfassungswidrig, weil die Bundeswehrsoldaten den UN ohne gesetzliche Grundlage unterstellt würden. Insofern seien parlamentarische Rechte verletzt worden. Tagesthema Seite 3

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