: SPD-Kulturpolitik: Hohle alte Sprüche
■ Betr.: „Auf Krücken durch die Soziokultur“, taz vom 18.6.
Klingt ja toll knackig, wie der „SPD-Kulturexperte“ Detmar Leo die freien Kulturbetriebe unter „deutlichen Druck“ setzen will: „Umbau“, „Vernetzung“, „Kooperation“ will er, und jeder muß mitmachen! Wenn er sich und seine Ampel mit diesen Ansprüchen mal nicht selbst unter Druck setzt: Wen will er denn noch mit was vernetzen? Die -zig Mitgliedergruppen des Lagerhauses mit den genauso zahlreichen, die im Schlachthof miteinander kooperieren? Die ganze Bremer freie Theaterszene besteht aus Kooperationen, ohne die würde es ein JUNGES THEATER beispielsweise gar nicht geben; traurig, wenn er das noch nicht erfahren hat! Jahrzehnte alte SPD — Sprüche können eine inhaltliche Kunst-und Kultur-Debatte nicht länger ersetzen.
Nachdem Leo den millionenschweren ABM-„Kardinalfehler“ der SPD-Kulturpolitik nebenbei „einräumt“, schiebt er die Kulturschaffenden gleich wieder weiter an andere Ressorts; die verweisen aber grundsätzlich auf das vom Ampelsenat eingerichtete eigenständige Kulturessort von Helga Trüppel. Die Kultursenatorin sucht erst einen Intendanten, der mit ihr die verkrusteten Stadttheater-Strukturen gewaltig umkrempelt und nach einigen Tagen sind „ungeheure Umverteilungs-Spielräume“ auf diesen Sektor schon nicht mehr „ihre Kulturpolitik“.
Sie bringt das „Concordia“ als Spielstätte für freie Theater ins Gespräch, sieht aber nach eigener Aussage keine 170.000 DM zur Verfügung, um das JUNGE THEATER wenigstens strukturell abzusichern. Das JUNGE THEATER bietet genau diese Spielstätte bereits und ein eigenes Ensemble und einen Spielbetrieb mit 30 monatlichen Vorstellungen dazu. Meint Helga Trüpel, einen „Concordia“-Spielbetrieb mit noch weniger Geld realisieren zu können?
Das JUNGE THEATER hat Kontakt zu Sponsoren, „erste Sahne“; nur werden die nichts investieren, solange nicht einmal der bloße Betrieb des Theaters gesichert ist, weil die Mitarbeit jederzeit mit der „ Abberufung“ durchs Arbeitsamt rechnen müssen.
Aus der kulturpolitischen Ecke — trotz des ewig wiederkehrenden Aufrufs zu mehr privatem und wirtschaftlichem Engagement — keine Reaktion.Eine personelle Absicherung durch zeitlich befristete Stellenvergabe, wie von Koalition und Kulturpolitikern versprochen ( und wie sie für mein Arbeitsverständnis angesichts so manchen verschnarchten Theaterkollektivs auch aus künstlerischer Sicht sehr sinnvoll wäre), ist nicht absehbar.
Statt inhaltlich zu diskutieren, statt sich vorweg umfassend zu informieren und entsprechend inhaltliche Schwerpunkte, werden notdürftig und feige die naheliegendsten „Sachzwang“-Löcher gestopft, wird mehr oder weniger belustigt auf die heraufbeschworenen „Verteilungskämpfe“ gestarrt. Ansonsten: Hohle alte Sprüche, keine Ahnung, dafür Arroganz und Ignoranz.
Es fällt schwer, sich die Situation unter einer CDU-Kultursenatorin Motschmann, wie Helga Trüpel sie gern als Gespenst an die Wand malt, wesentlich schlimmer vorzustellen. JUNGES THEATER Carsten Werner
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