: Da hilft nur noch Zaubersalz
■ Beim Kindertheater im Schlachthof: Musik, Geschichten und Zaubereien mit vielen Kindern und Klaus Adam
Kinderpublikum läßt ja nun überhaupt nicht mit sich spaßen - von wegen Konsumhaltung, Apathie und Fremdbestimmung. „Du zauberst uns nicht weg, sonst kriegst Du eine!“ stellte eine fünfjährige junge Dame gleich zu Beginn der Vorstellung klar und nahm damit auch ihren ängstlicheren GespielInnen die letzten Zweifel: Wenn der da schon für uns Theater macht, dann gefälligst ohne den mahnenden Zeigefinger, denn wir sind eindeutig in der Überzahl.
Richtig. Der Magazinboden im Schlachthof quoll schier über vor Latzhosen, Disney-Pullis, Schlabberpuppen und Skateboards. Einmal die Woche gibt es dort im alten Dachbodenzimmerchen mit schwerem Holzgebälk Programm für Kids — letzten Sonntag lockte Klaus Adam mit dem Zaubertheater „Ein Krokodil beim Zahnarzt“.
Zauberer Klaus Adam (Schauspieler, Gaukler und Spielmann aus Bremen) versuchte sich erst mal mit Ehrlichkeit an der Gunst seiner ZuschauerInnen: „Ich will mit Euch Lieder singen, Euch Geschichten erzählen und muß Euch gleich sagen, daß ich gar kein richtiger Zauberer bin, ich kann nur Zaubertricks.“
Und los geht's mit den zwei Zeigefingern, die am liebsten schmusen, weil sie nämlich verliebt sind. Sonst noch jemand verliebt? „Ja, ich mit Dorothea und Julia!“ quäkt Nora stolz.
Tempo ist gefragt. Der enttarnte Zauberer gibt sich alle Mühe, hüpft, springt, tanzt, verrenkt sich vor den Kindern, blubbert, grunzt, schnalzt, lockt sie mit Gags und Wortspielereien.
Gnädig und verständnisvoll schmunzeln die Kids und bleiben hart in ihrer Kritik: „Erwachsene lügen uns immer an.“ Ganz klein muß sich dieser Zauberer machen, kleiner, die Kinder bei ihren Erlebnissen packen, nicht vor, sondern mit ihnen spielen und das ganze Theater immer mal wieder ein bißchen aus dem Ruder laufen lassen. Dann glauben die ihm auch die Story vom „Krokodil beim Zahnarzt“.
Dieses Krokodil vom Nil hatte nämlich einen Schokokuß verspeist, was schmerzliche FÄBolgen hatte. Der konsultierte Zahnarzt hantierte mit einer Zwei-Gang-Elektronik- Schlagbohrmaschine und füllte das Krokodil-Zahnloch mit Beton - und kräftig draufbeißen. „Warum hat das Krokodil nie mehr einen Schokokuß gefressen? Weil keiner mehr am Nil vorbeikam.“ Die Kinder kombinieren logischer: Weil der Beton hart geworden ist.
Langsam steigt die Stimmung auf dem Magazinboden, Natascha und Gerit tanzen zur Tante in Marokko und die kommt, ein paar kreischen und jauchzen, und Klaus Adam scheint zufrieden: „Das ist lebendige Kultur, da gibt es einen Austausch zwischen mir und den Kindern!“ Nur die zwei kleinen Tober, die gar nicht mehr aufhören können, rumzurennen, stören ihn dann doch. Sollte ihm sein Zaubersalz ausgegangen sein? Silvia Plahl
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