■ Wimbledon
: Eintrittsverbot für Störenfried

London (taz) — Es war eine deprimiert und verstört wirkende Steffi Graf, die nach ihrem glänzenden Wimbledon-Debüt vor die Presse trat. In 38 Minuten hatte sie ihre australische Gegnerin Kirrily Sharpe mit 6:0, 6:0 vom Platz entlassen, doch die Freude darüber vermieste ihr ein Tennis-Fan, der für sie kein Unbekannter mehr ist.

Gerade 14 Minuten waren gespielt, als seine Stimme über den Centre Court hallte: „Steffi, Du bist für alles verantwortlich“, spielte der Mann in der ersten Zuschauerreihe auf das Attentat auf Monica Seles an. „Mein Gott, nicht er schon wieder“, rief die 24jährige aus und legte ihre erste Beschwerde bei der Schiedsrichterin ein. Es war eine von mehreren Diskussionen während dieses kurzen Matchs, denn auch als der Zwischenrufer mit seinen Kommentaren fortfuhr, schritten die Sicherheitskräfte nicht ein. „Du täuschst Deine Fußverletzung doch nur vor“, versuchte er Graf aus dem Konzept zu bringen, die augenscheinlich nur daran dachte, dieses Spiel so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Nach mehreren Mahnungen erlaubten die Ordnungskräfte dem Mann schließlich, bis zum Matchball auf seinem Sitz zu bleiben. Erst als die Spielerinnen den Platz verlassen hatten, holte die Polizei ihn zum Verhör.

Bei dem Mann handelt es sich um einen 29jährigen Frankfurter, der Graf offensichtlich durch ganz Europa mit dem Vorsatz folgt, sie zu terrorisieren. „Da saß ein Typ in der ersten Reihe, der auch schon in Paris dabei war. Er hat mich ein wenig gestört, doch ich nehme die Sache nicht allzu ernst“, erklärte die Weltranglisten-Erste, während sie versuchte, möglichst ruhig zu wirken und die Angelegenheit herunterzuspielen. „Ich habe mich eine Sekunde damit beschäftigt, dann war es kein Problem mehr.“

Augenzeugen berichten jedoch von einem weiteren Zwischenfall, der sich am Morgen desselben Tages ereignet haben soll. In Tränen aufgelöst habe Steffi Graf nach einer Übungsstunde den Court verlassen, in dessen Nähe sich auch ihr Peiniger aufgehalten hatte. Er wurde am Dienstag nachmittag von der Polizei auf freien Fuß gesetzt, erhielt jedoch Eintrittsverbot für alle weiteren Spiele. Als er zur Begegnung Boris Becker - Marc- Kevin Goellner, die Becker in vier Sätzen gewann, auf seinen Platz zurückkehrte, wurde er erneut vom Centre Court geleitet. „Die Sicherheitskräfte sind angewiesen worden, ihn während des Turniers nicht mehr auf die Anlage zu lassen“, erklärte der All England Lawn Tennis and Croquet Club (AELTC), der an die Ordner an den Eingängen Fotos des Mannes verteilte.Antje Passenheim