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Gauck und Stolpe vergleichen sich vor Gericht

■ Ministerpräsident kann weitere Stasi-Akten einsehen, Gauck-Behörde muß nicht gezielt nach mehr Material suchen / Richter hofft auf „gewisse Entkrampfung“

Berlin (dpa/AP) – Der Streit vor dem Verwaltungsgericht zwischen dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) und der Stasi-Unterlagen- Behörde von Joachim Gauck wegen Akteneinsicht ist vorerst beigelegt. Beide Prozeß-Parteien stimmten gestern nachmittag einem zuvor ausgehandelten Vergleich zu. Der Vorsitzende Richter des Berliner Verwaltungsgerichtes, Volker Markworth, hofft jetzt, daß der Vergleich zu einer „gewissen Entkrampfung“ des Verhältnisses von Stolpe zur Gauck-Behörde beiträgt.

Nach dem Vergleich soll die Gauck-Behörde dem SPD-Politiker bestimmte bereits erschlossene Stasi-Akten vorlegen. Andererseits muß die Behörde nicht den gesamten Aktenbestand von 180 Kilometer Länge gezielt nach Material über Stolpe durchsuchen.

Der Ministerpräsident hatte Gauck vorgehalten, ihm Akten gesetzeswidrig vorzuenthalten. Gauck hatte den Vorwurf stets zurückgewiesen und erklärt, seine Behörde verstoße nicht gegen Gesetze. Darin sehe er sich nun bestätigt.

Während der Verhandlung über den genauen Inhalt des Vergleichs lieferten sich die Rechtsanwälte beider Seiten scharfe Wortgefechte und drohten sich gegenseitig, den Kompromiß scheitern zu lassen. Beide Seiten erklärten aber, der Vorschlag des Gerichts sei eine Möglichkeit, den monatelangen Rechtsstreit zwischen Stolpe und Gauck in dieser Frage beizulegen und Rechtsfrieden herzustellen. Der Richter hatte eindringlich an die Beteiligten appelliert, den Vergleich anzunehmen. Bei Ausschöpfung aller Instanzen würde ein Urteil erst nach mehreren Jahren wirksam werden. Außerdem sei zu befürchten, daß „sich der Prozeß hochschaukelt“.

Stolpes Anwalt Wolfgang Schomburg sagte, er habe die „eine oder andere Kröte geschluckt“, sei aber im wesentlichen doch zufrieden.

Stolpe kann jetzt Einsicht in eine von der Gauck-Behörde angelegte „Sonderakte“ über den Ministerpräsidenten gewähren. Sie enthält von der Behörde seit November 1992 gesondert und gezielt gesammeltes Material, in dem Stolpe erwähnt wird. Außerdem dürfte der Ministerpräsident verschiedene Dokumente einsehen, die nach Ansicht Stolpes seine Rolle zu DDR-Zeiten in einem anderem Licht erscheinen lassen. Er muß aber auf Einsicht in andere Dokumente – beispielsweise Kaderakten der Stasi-Mitarbeiter – verzichten.

Behördendirektor Hansjörg Geiger sagte, der Vergleich räume Stolpe keine Sonderrechte ein. Der Regierungschef müsse nun wie jeder andere Bundesbürger Akteneinsicht beantragen. Der Vergleich sei auch richtungsweisend für ähnliche Wünsche anderer Personen. Geiger betonte, seine Behörde sei schon immer bereit gewesen, Stolpe bereits erschlossene Akten über ihn vorzulegen.

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