: Blechgroove fürs Sonnendach
■ „Jazz across the border“ zum vierten: The Fun Horns
Was tun, wenn man in seiner Wohnung kein Schlagzeug spielen kann, weil die anderen Mieter sonst zurückschlagen? Damit muß man halt auch in New York rechnen. Selbst die Downtown-Avantgarde scheint davon betroffen zu sein, seitdem die Lofts von einst zu Verkaufstempeln für Bilder-Chic und Kunst-Trash umfunktioniert worden sind. Was Ikue Mori vor 1977 in Tokio machte, ist bestenfalls Stoff für andere Geschichten, Schlagzeugspielen begann sie nämlich erst in New York, wo sie mit Arto Lindsay den „DNA“ Art- Rock begründete – und überstürzt zur Legende wurde. Weder John Zorn, Wayne Horvitz und (erst recht) Fred Frith zögerten, den frühen Ruhm zu verlängern. Zum Glück konnte Ikue Mori mithalten bei soviel Improvisation, hatte sie sich doch einen Drum-Computer für das Heimspiel zugelegt. Und so wurde aus nachbarschaftlicher Rücksichtnahme ein Main Act, als sie 1986 mit Jim Staley, Bill Frisell und diversen Trommelmaschinen „Mambo Jumbo“ einspielte.
Wie Ikue Mori durch „radikalen Einsatz“ von drei „selbst“-programmierten Drum-Computern perkussive Grenzen überschreitet, ist zugleich das erste Hörthema des heutigen „Jazz across the border“- Abends. Als nämlich die Berliner Fun Horns, Volker Schlott, Thomas Klemm, Rainer Brennecke und Jörg Huke, während einer Südamerikatournee im Vorjahr auf die vier Meistertrommler von Baticun trafen, tranken sie zusammen Caipirinhas und beschlossen, eine gemeinsame Europatournee zu machen. Ergebnis: gehäuteter Blechgroove fürs Sonnendach.
Abschließendes Highlight dieses Tages ist Ivo Perelmann, der tumultige Tenorsaxophonist, der eigentlich immer nur schöne Melodien spielen will. Sein Mix aus Coltrane und brasilianischen Kinderliedern ist messagiert und treibend wie die Namen seiner Mitmusiker: Fred Hopkins, Guilherme Franco, Frank Colon und Barry Altschul. Christian Broecking
Heute ab 18 Uhr auf oder im HdKW.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen