Durchs Dröhnland
: Mit Gütesiegel: Blöd bleibt blöd

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Oft schon wurde an dieser Stelle der Untergang der schönen englischen Rumpelfolktradition beklagt. The Men They Couldn't Hang sind nicht mehr, die Pogues haben inzwischen den falschen Sänger, ganz abgesehen davon, daß sie zuletzt auch recht verweichten. Doch noch gibt es zum Beispiel die Whiskey Priests und eben die Cropdusters. Die wissen noch, wie man eine Fiddel spielt, die Beine schwingt und sich zuviel, viel zu arg die Kante gibt. Zwar sparen die Cropdusters auf Platte nicht mit Experimenten – Tonbandeinspielungen und gar Soulbläsern –, aber wenn es wieder mal voll und heiß und stickig wird im K.O.B., wenn jeder auf dem Trockenen sitzt, weil der Weg zur Theke längst verstopft ist, wenn die kleine Bühne vibriert, wenn die Menge wogt vor Glückseligkeit, dann war es wieder ein gelungener Abend. Und immerhin eine Erkenntnis bleibt: Ein zünftiges britisches Besäufnis ist nicht nur im Irish Pub möglich.

Am 25.6. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 154, Schöneberg, und am 26.6. um 22 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Dem Kontrast zuliebe nun zur blödesten Band der Welt. Jeder, der mich kennt, weiß, daß ich Metal wirklich mag, der Rest glaubt, ich spinne. Ich finde sogar den ganzen Quatsch wie Fledermäusen die Köpfe abzubeißen irgendwie lustig, wenn es nicht gerade auf meiner Couch stattfindet. Und auch der Satanismus, mit dem so gerne kokettiert wird, ist so lange okay, wie er dazu dient, der (vor allem amerikanischen) Öffentlichkeit eine lange Nase zu drehen. Erst wenn man den Quatsch wirklich ernst nimmt, wird's bedenklich. Deicide, vor allem Sänger Glen Benton, hat sich das umgedrehte Kruzifix in die Stirn brennen lassen, der Rest der Band war nur unwesentlich schlauer und wählte den Oberarm. Angeblich gehen sie sich privat eher aus dem Weg, weil sie alle scheiße drauf sind – man glaubt es aufs Wort. Zugute halten muß man Deicide, daß sie so ziemlich den kotzbrockigsten Death-Metal spielen, der in der Kiste mit dem Todesblei zu haben ist. Verdienst vor allem der ramponierten Stimmbänder von Benton, der Gabe Satans, mit Gütesiegel. Blöd bleibt trotzdem blöd.

Mit Sinister und Messiah am 25.6. um 21 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide 108-114, Kreuzberg

Wenn Reggae heutzutage in Europa Erfolg hat, liegt das bestenfalls an der unendlichen Geschichte vom dauerbekifften Zöpfchenträger aus den 70ern. Da dieser Typus durch Tod arg dezimiert wurde und die Jüngeren sich längst die fälligen Dekaden weiterbewegt haben, ist Reggae kein kommerzieller Faktor mehr, sieht man mal von Eiscreme-Werbung und ähnlichem Sunshine-Reggae ab, der es an Authenzität sogar mit Lambada aufnehmen kann. Das wird auch dann nicht besser, wenn selbst Inner Circle „Ah la la la la long“ trällern, um ein paar Kröten zu verdienen. Auch der seit einigen Jahren von den einschlägigen Magazinen prophezeite Ragga-Durchbruch läuft nicht so recht an. So ist Crossover immer noch der momentan gangbarste Weg für Reggae. Den gewagtesten und trotzdem geglücktesten schuf Rebel MC mit seiner Verbindung von derbem House und Lovers Rock oder Dub. Obwohl von wild um sich schlagenden Breaks unterbrochen, bleiben seine Housestücke tanzbar und schaffen das Unmögliche: Sein Toasting bleibt Toasting und paßt sich in die wild ejakulierenden Breakbeats ein. Dabei wird der Kontrast zwischen den eigentlich so gegensätzlichen Stimmungen, zwischen Laid Back und Ekstase, gar nicht mal allzuoft als willkommener Effekt genutzt; meistens wird die Symbiose gesucht – was den Gimmick-Effekt ausbremst. Es braucht Genies, um so etwas zu wagen – und zu gewinnen. Rebel MC ist eins.

Mit Radical Dance Faction am 26.6. um 21 Uhr im SO 36, Oranienstraße 120, Kreuzberg

Jetzt sind sie sogar schon Filmstars, und einen Soundtrack haben sie auch schon gemacht. Schon ein Aufstieg, den P.N.A.T.S.H. da hingelegt haben, von der miesesten Band, die sich je aus dem Keller wagte, zum vielleicht besten Dub-Reggae-Act Deutschlands. Ich kenne sonst niemanden, der so konsequent die historisch-solidarische Verbindung zwischen Punk und Reggae weitergedacht hat wie die drei Berliner. Ihr früher recht anstrengendes, rücksichtsloses Üben vor Publikum ist einer Souveränität der Mittel gewichen, die sonst kaum jemand besitzt.

Am 26.6. um 22 Uhr im K.O.B.

Die schönste Kombination der Woche: Sugar, die reumütige Rückkehr von Bob Mould zu alter Hüsker-Herrlichkeit, die Disposable Heroes of Hiphoprisy, Schlauchens liebster Rap, und Cell, die unterbewertetsten Neulinge im Gitarrengeschäft.

Am 29.6. um 21 Uhr in Huxley's Neuer Welt

Und nun für alle zum Mitgrölen: Die be-schis-sen-ste Band der Welt. Perry Farrell hat sich die Dreads abgeschnitten, Jane's Addiction zu den Akten gelegt, seine penetrante Lust zur Provokation nicht verloren und die Maschine entdeckt. Seine neue, streng nach markanten Gesichtszügen zusammengestellte Kapelle Porno For Pyros will Rock spielen und mit Sampling anreichern. Kommt trotzdem nur Schweinerock raus. Manchmal hört sich Farrell sogar an wie Supertramp – ganz eklig halt. In L.A. finden sie so was ganz toll, da wäre es auch besser geblieben.

Am 1.7. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg Thomas Winkler