: Gähnial
■ Geigenstar Nigel Kennedy enttäuschte im Stadtpark
Wenn am Freitag abend im nur locker gefüllten Rund im Stadtpark nur irgendjemandem ein Schauer über den Rücken gelaufen sein sollte, dann muß das am Wetter gelegen haben — obwohl das gar nicht so schlecht war.
Viel Jugend von dreißig bis vierzig im Publikum, viel verkehrtrumme Baseballmützen, teuer das Bier und groß die Erwartungen: Was würde der kleene Punker bieten? Mit zunehmender Dauer des Konzerts fragte man sich freilich mehr, worin der größere Skandal lag — darin, was der Geiger Nigel Kennedy zu bieten hatte oder darin, was sich die Leute von ihm geduldig bieten ließen?
Hätte auf der bunt belight-showten Bühne des Stadtparks allerdings jemand gestanden, der nicht Umsatzgeschichte geschrieben hätte und der im Klassik-Biz mit weltweit über 1,5 Millionen verkauften Vivaldi-Scheiben sowie inzwischen 200.000 losgeschlagenen Beethoven-Violinkonzerten zu den Großverdienern zählt — die Leute hätten ihn, vollauf zu Recht, mit faulen Eiern und Tomaten beworfen. So überaus dürftig war, was der kleine Engländer mit der Geige mit gönnerhaft verklemmten Bewegungen abspulte.
Wenn ein Musiker immer wieder das gleiche spielt, und es klingt gut, dann könnte es sich um serielle Musik handeln. Wenn er immer wieder das Gleiche spielt, und es klingt schon im ersten Stück gähnend langweilig, dann handelt es sich wahrscheinlich um Nigel Kennedy. Er ist halt doch kaum ein Klassik-Virtuose. Da hört sich, trotz aller Verkaufserfolge, auch bei seinen Eigenkompositionen nicht besser an. Ein Bekannter, ein Plattenverkäufer, brachte es auf den Punkt: „Ein mittelmäßiger Geiger mit einem brillanten Manager.“
Noch öder als dieser Abend mit mediokrem Medienprodukt und schlicht dilletantischer Begleitband, ist indessen die Mäkelei über all das. Geradezu ärgerlich indessen: Daß man für so eine Mogelpackung von Pop-Konzert bei 1:1 Satzstand die Glotze just in dem spannenden Moment verlassen mußte, da Bobbele mit einem dieser genialen Rückhand-Longline-Returns das matchentscheidende Break im dritten Satz gegen Jakob Hlasek schaffte.
Stefan Siegert
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