„Wir sind die Hamburg-Partei“

■ SPD-Parteitag erneuert Anspruch auf Alleinregierung der Stadt / Exklusiv für die taz:Voscheraus Wahlprognose Von Florian Marten

Mit Henning Voscherau an der Spitze will die SPD am 19. September ihre absolute Mehrheit verteidigen. 95 Prozent der Delegierten des SPD-Kanditatenparteitags ließen ihrem Beifall für die Rede des Spitzenkandidaten auch auf dem Stimmzettel für Listenplatz 1 folgen. Zustimmung zu Entscheidungen, die längst gefallen waren, freudiger Schulterschluß zu Beginn eines wichtigen Wahlkampfs. Am Sonntagnachmittag eiferten Hamburgs SozialdemokratInnen im Bürgerhaus Wilhelmsburg dem Vorbild ihres Essener Bundesparteitags fleißig nach.

Anders als in Essen gab es in Wilhelmsburg kein Urwahlexperiment zu besichtigen. Im Gegenteil: Der Landesparteitag, formal oberstes Entscheidungsorgan für die Listenaufstellung hatte, ganz in alter Manier, die personellen Vorgaben eines komplizierten Ausleseverfahrens nachzuschmecken, das in wichtigen Teilen noch immer von Mauschelrunden und „demokratischem Zentralismus“ geprägt ist. Die Lockerung der Parteisatzung - statt 90 reichen jetzt 20 Unterschriften für eine Delegierten Kandidatur - wurden denn auch nicht von der Basis, sondern von Lobbys genutzt. So sah sich Traute Müller (Platz 5 auf Vorschlag des Landesvorstands) urplötzlich mit der Gegenkandidatin Ruth Polte, der SPD-Seniorensprecherin, konfrontiert. Ein kleiner harter Kern um den Wandsbeker Rechtsausleger Paul Busse hatte die mit Platz 70 tatsächlich schlecht bedachten Senioren zum Schlag gegen die linke Senatorin motiviert. Ein Fehlschlag: Mit 231:73 Stimmen meisterte Traute Müller diese Klippe. Die andere spannende Entscheidung die Auseinandersetzung um Platz 50, wo bis zuletzt nicht feststand, ob der Einwanderer Hakki Keskin einen Gegenkanditaten erhalten würde, war bis Redaktionsschluß noch nicht gefallen.

Neben der Kandidatenkür war Wahlkampf angesagt. Gut gelaunt motivierte Stadtchef Henning Voscherau seine GenossInnen: „Die Zeit von Kritik, Querelen und Rücktritten ist vorbei. Ein Wahlsieg der SPD am 19. September in Hamburg wird ein Aufbruchsignal für den Machtwechsel in Bonn sein.“ Das Kandidaten zentrale Botschaft: „ Die Fakten sprechen für Rot und sonst garnichts.“

Die Fakten, das sind laut Voscherau: „Nur die SPD ist in Hamburg in allen Stadtteilen fest verankert. Wir sind die Hamburg-Partei. Nur wir sind in der Lage, dieses Gemeinwesen mit starker Hand und sozialer Gerechtigkeit durch die Stürme zu steuern, die vor uns liegen. Wir sind die Roten - seit 130 Jahren. Kämpft dafür, daß das so bleibt.“ Ungewöhnlich starker Beifall.

Ob das erneut für die absolute Mehrheit reicht? Voscherau legte der taz am Rande des Parteitags seine persönliche Einschätzung der aktuellen Wählerstimmung dar: 44 Prozent SPD, 32 Prozent CDU, 12 Prozent GAL, 7 Prozent Reps, FDP unter 5 Prozent. Unabhängig davon, ob sich dies am Wahltag bewahrheitet, rammte der Bürgermeister wichtige Eckpfeiler für mögliche Koalitionen ein. Zwar erklärte er CDU, FDP und GAL für „prinzipiell Koalitionsfähig“, erteilte aber erneut der FDP eine scharfe Abfuhr: „Diese Partei ist ohne jede soziale Wurzel, ohne jedes soziale Gefühl. Ein Immobilienmilliardär darf nicht das Maß der sozialen Dinge sein. Wir dürfen diese Partei nicht an die Schaltstellen der Macht lassen.“ Eine Koalition mit der CDU sei schon deshlab unwahrscheinlich, weil „undemokratisches Verhalten nach der Wahl nicht noch belohnt werden darf.“

Gegenüber der GAL stieg Voscherau dagegen schon in die Koalitionsverhandlungen ein: Sollte der Wähler die SPD zu einer rot-grünen Koaltition zwingen, drohe der Stadt „strukturpolitischer Stillstand“, falls die SPD sich den von der GAL verlangten „Kniefällen“ beuge, der Verabschiedung von Großprojekten wie Elbvertiefung, Hafenerweiterung oder vierter Elbtunnelröhre.