piwik no script img

Fata Morgana aus Stoff

■ Stadtschloßeinweihung mit Volksfest

Obwohl seit über 40 Jahren von der Bildfläche verschwunden, dürfte das Königsschloß in diesem Sommer zum Touristenmagnet werden. Die Wiederauferstehung des schönen Barockbaus, wenn auch nur als Fata Morgana, wird am morgigen Mittwoch mit einem Volksfest gefeiert. Rund 40 Kunststoffbahnen – etwa 10.000 Quadratmeter – ließ die Pariser Künstlerin Cathérine Feff für die Imitation in kräftigem Gelb und warmem Braun bemalen und in nur vier Wochen über ein riesiges Stahlgerüst drapieren.

Die Konturen des zwischen 1699 und 1706 von Andreas Schlüter und später von Johann Friedrich Eosander errichteten Bauwerks sind akribisch nachgestaltet: Balustraden, Fenster- und Türbögen, Wappen und sonstiger Zierat. Eine Kuriosität: Das Portal „4“ an der Lustgartenseite ist doppelt vorhanden. Als eines der wenigen geretteten Originale wurde es zu DDR-Zeiten auf Wunsch von Walter Ulbricht in die Architektur des modernen Staatsratsgebäudes am Platze eingefügt. Der Grund: Karl Liebknecht hatte 1918 von diesem Balkon die „Sozialistische Republik“ ausgerufen. Kaiserkrone und Adler, die königlichen Wappenzeichen im Sims, durften jedoch nicht sein.

Initiator des jetzigen Schloß- Spektakels ist der Hamburger Kaufmann und Hobby-Kunstgeschichtler Wilhelm von Boddien. Er gründete nach der deutschen Wiedervereinigung nicht nur den „Förderverein Stadtschloß“, sondern er besorgte auch über zwei Millionen Mark für das Sommerspektakel. Wilhelm von Boddien rechnet mit mindestens 100.000 Besuchern. In einer zusätzlichen Ausstellung sollen sie Position beziehen für oder gegen den Schloß- Wiederaufbau.

Spätestens mit dem Abriß-Beschluß für den asbestverseuchten „Palast der Republik“ wurde die Diskussion um das Stadtschloß neu belebt. Das SED-Regime hatte im Jahre 1950 die „Junker- Trutzburg“, die zwar im Zweiten Weltkrieg stark zerstört wurde, aber durchaus noch wiederaufbaufähig war, sprengen lassen. dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen