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Diepgen bleibt hart

■ Schiller Theater bleibt geschlossen / CDU-Fraktion gerüffelt / Regierungsbilanz mit Option auf Verlängerung

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen hält an der Schließung des Schiller Theaters fest. Anläßlich seiner Halbzeitbilanz der Großen Koalition erklärte er gestern, der Senat habe nicht am letzten Dienstag den Beschluß gefaßt, damit er ihn heute wieder aufhebe. Es sei Ausdruck einer verantwortlichen Kulturpolitik, einzelne Projekte aus der Finanzierung des Landes herauszunehmen und nicht mit dem Rasenmäher vorzugehen. Wenig beeindruckt zeigte sich Diepgen von den Boykottaufrufen der Künstler und Intendanten, die sich am Wochenende im Schiller Theater versammelt hatten. Wenn der Senat deshalb seine Position ändere, sei seine Handlungsfähigkeit in Frage gestellt. Noch weniger berührte ihn, daß sich die CDU-Fraktion unter Führung seines Intimus Klaus Landowsky diesen Protesten angeschlossen hat und sich für eine Änderung des Senatsbeschlusses einsetzen will. Es gebe Teile in der CDU-Fraktion, so kanzelte er seine Parteifreunde ab, „die den Entscheidungsprozeß noch nachvollziehen müssen, der im Senat gefallen ist“.

Doch nicht nur wegen dieser Lernunwilligkeit liegt Diepgen mit seiner Fraktion zur Zeit über Kreuz. Erst vor zwei Wochen hat sie ihm, bei der Unterzeichung des Staatsvertrages zur Akademie der Künste, einen Strich durch seine Planung gemacht. Nachdem die Akademiemitglieder jedoch am letzten Wochenende die Einsetzung eines Ehrenrates beschlossen haben, ist Diepgen zuversichtlich, daß es am 2. September zu der beabsichtigten Verabschiedung des Staatsvertrages kommt.

Diepgen bescheinigte in seiner Bilanz den Koalitionsfraktionen eine deutlich schlechtere Note als der Arbeit des Senats. Deren Wirken sei lediglich befriedigend. Nichtsdestotrotz hält Diepgen eine Fortsetzung der Großen Koalition über den nächsten Wahltermin hinaus für möglich. Sein Erfordernis habe das Bündnis von CDU und SPD in den letzten beiden Jahren bei der Polizeireform, dem Tunnelprojekt unter dem Tiergarten, dem Hauptstadtvertrag und dem Zusammenschluß der Banken und Sparkassen erwiesen. Für die Jahre 1995 und 1996 will die Große Koalition, eine Neuheit in der Landesgeschichte, einen Doppelhaushalt verabschieden. Da dazwischen die Wahl des Abgeordnetenhauses liegt, wäre auch der zukünftige Senat daran gebunden. Für dieses ungewöhnliche Vorgehen spricht in Diepgens Augen die Rechts- und die Planungssicherheit. Dafür spricht wohl auch, er vergaß es zu erwähnen, daß auf diese Weise den Regierungsparteien unpopuläre Debatten über Sparmaßnahmen im Wahljahr erspart bleiben. Dieter Rulff

Siehe Kommentar Seite 21

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