Dokumentieren und vernetzen

■ "Berliner Institut für vergleichende Sozialforschung" führt Dokumentation der UNO über Flüchtlingsbewegungen weiter / Finanzierung ist noch nicht gesichert

Berlin ist seit gestern um ein Dokumentationszentrum reicher: Das „Berliner Institut für vergleichende Sozialforschung“ führt die Flüchtlingsdokumentation des UN-Hochkommissars für Flüchtlingsfragen (UNHCR) weiter. In dieser Datensammlung werden seit sechs Jahren Informationen über Flüchtlingsbewegungen und Fluchtursachen zusammengetragen. Unterstützt wird diese Arbeit vom „International Documentation Network“ (IRDN), einem Zusammenschluß von weltweit rund 300 Nichtregierungsorganisationen (NROs).

Hauptaufgabe des Berliner Instituts, das gleichzeitig die Koordination des Netzwerkes übernommen hat, wird neben der Sammlung von Informationen über Menschenrechtsverletzungen und Fluchtbewegungen die Unterstützung von Organisationen in „unterentwickelten“ Ländern sowie die Verbesserung und Standardisierung des internationalen Datenaustausches sein.

„Das Zentrum soll eine Schnittstelle zwischen entwickelten und weniger entwickelten Ländern sein“, sagte gestern Jochen Blaschker, wissenschaftlicher Leiter des Instituts. Langfristiges Ziel der Arbeit sei es, ein „Frühwarnsystem“ aufzubauen und so krisenhaften Entwicklungen in der Welt vorzubeugen. Hans Thoolen, Leiter des UNHCR-Büros für Menschenrechtsfragen in Genf, betonte die „unauflösbare Verbindung zwischen Flüchtlings- und Menschenrechtsfragen“. Die Wiener Menschenrechtskonferenz habe gezeigt, wie wichtig die Arbeit der NROs sei, sagte Thoolen.

Die Finanzierung der Dokumentationsarbeit ist bisher noch nicht gesichert. Das „Diakonische Werk“ habe eine „Anschubfinanzierung“ von 50.000 Mark geleistet, andere feste Zusagen gebe es noch nicht, sagte Blaschker. Etwa drei Millionen Mark pro Jahr werde das Institut für den Aufbau weiterer regionaler Dokumentationszentren, vor allem in Ländern der Dritten Welt, benötigen. Bei der Finanzierung hoffe man auf Entwicklungshilfegelder und Unterstützung durch Stiftungen. Das Auswärtige Amt habe eine Finanzierungszusage aus Geldmangel zunächst einmal zurückgezogen, der Berliner Senat habe Unterstützung in Aussicht gestellt. Darauf lassen auch die Worte von Staatssekretär Armin Tschoepe von der Sozialverwaltung hoffen: „Wir werden Ihre Arbeit nach Kräften unterstützen.“

Wie Thomas Schwarz, Mitarbeiter des Instituts, der taz mitteilte, gibt es derzeit zwei bis drei „große Dokumentationszentren“ auf jedem Kontinent. Der Aufbau neuer Zentren ist zunächst in Südafrika, Osteuropa und Südostasien geplant. Es sei wichtig, den Institutionen in der Dritten Welt bei der „Professionalisierung“ zu helfen. Die Unterstützung umfaßt neben materieller Hilfe Ausbildung und Training der MitarbeiterInnen. Sie erlernen beispielsweise „Standardformate, mit denen Menschenrechtsverletzungen dokumentiert werden können“, die „computermäßige Verarbeitung“ der Informationen sowie Techniken, wie diese an die Medien weitergegeben werden können, sagte Schwarz.

Die Dokumentationsstelle wird von zwei MitarbeiterInnen betreut und ist für jede/n zugänglich. Das Institut verfügte schon vor Übernahme der neuen Aufgabe „über die größte Dokumentation für Flüchtlingsfragen in Deutschland“, sagte Schwarz.

Hintergrund des Umzugs sind offenbar Geldnöte des UNHCR, das deswegen verschiedene Aufgaben aus seiner Genfer Zentrale auslagert. Blaschker bewertete den Umzug positiv: „Das ermöglicht den NROs größere Unabhängigkeit vom UNHCR.“ ujo

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