: Rühe bezieht Arbeitsräume in Berlin
Im ehemaligen Bendlerblock erhält Bundesverteidigungsministerium im September Büros / Zentrale des militärischen Widerstandes in der NS-Zeit / Gedenkstätte wird nicht angetastet ■ Von Severin Weiland
Heute vor 49 Jahren scheiterte das Attentat des militärischen Widerstandes auf Hitler. Im ehemaligen Bendlerblock, der den Verschwörern um Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg als Schaltzentrale diente, wird Anfang September das Bundesverteidigungsministerium 21 Räume beziehen. Dies bestätigte gestern auf Anfrage Oberstleutnant Ulrich Twrsnick, Sprecher auf der Hardthöhe in Bonn. Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) erhalte damit erstmals die Möglichkeit, während seiner Besuche in der Hauptstadt „Amtsgeschäfte zu führen oder internationale Gäste im angemessenen Rahmen zu empfangen“.
Der Komplex am Reichpietschufer, in dem Rühe nun Arbeitsräume einrichten läßt, diente während des Zweiten Weltkrieges dem Amt Ausland/Abwehr unter ihrem Chef Wilhelm Canaris als Sitz. Der Konteradmiral war im Zusammenhang mit dem mißglückten Anschlag am 20. Juli verhaftet und nach einem Standgerichtsverfahren am 9. April 1945, gut einen Monat vor Kriegsende, im Konzentrationslager Flossenbürg gehängt worden.
Nach Angaben von Eva Bursch, Gruppenleiterin in der Oberfinanzdirektion (OFD) in Berlin, werde man „in Kürze“ die Räume im sogenannten Bauteil A an das Bundesverteidigungsministerium übergeben. Eine entsprechende Weisung vom Bundesfinanzministerium aus Bonn an die OFD sei in der letzten Woche bereits eingegangen. Derzeit stehen die Räume im düsteren Komplex am Reichpietschufer leer – sie wurden bis vor kurzem noch vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen genutzt.
Keinen Einfluß werden die Planungen des Bundesverteidigungsministeriums auf die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in der Stauffenbergstraße haben. Im Innenhof des ehemaligen Oberkommandos des Heeres waren am Abend des 20. Juli Stauffenberg und drei seiner Mitverschwörer erschossen worden. In den Arbeitsräumen der Offiziere wird heute mit einer Dauerausstellung des deutschen Widerstandes in seiner Gesamtheit gedacht. Der Leiter der Gedenkstätte, Johannes Tuchel, versicherte gegenüber der taz: „Die Gedenkstätte wird bleiben, ebenso der freie Zugang zum heutigen Ehrenhof.“
Auch die restlichen Nutzer im großflächigen Bendlerblock – unter anderem das Bundesgesundheitsamt mit seiner Aids-Zentrale, das Bundesversicherungsamt, das Bundesbauamt I – sind nicht von Umzugsplänen bedroht. „Mir sind zur Zeit keine weiteren Anfragen aus Bonn bekannt“, so OFD- Gruppenleiterin Bursch. Das Bonner Verteidigungsministerium hat allerdings wiederholt verlauten lassen, im Falle eines Regierungsumzugs nach Berlin mit rund 500 Mitarbeitern in den ehemaligen Bendlerblock einzuziehen. Ebenso wird daran gedacht, dem Bendlerblock den Namen von Stauffenberg zu geben. „Das sind in der Tat Überlegungen, aber ein Beschluß ist darüber noch nicht gefällt worden“, so gestern Korvettenkapitän Klaus Heermeier von der Pressestelle der Bundeswehr in Berlin.
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