: „Wildwasser“ geht den Bach runter
■ Rotstift im Sozialbereich: Renommierte Projekte bangen um Existenz / Endgültige Entscheidung Ende des Jahres
Geplante Kürzungen im sozialen Bereich werden nach Auffassung von Berliner Sozialarbeitern fatale Folgen haben. Vielen Projekten von Selbsthilfegruppen, Anti-Gewalt-Arbeit oder psychosozialen Beratungen, die seit Jahrzehnten Modellcharakter hatten, drohe das Aus. Die endgültige Entscheidung über die Projekte, die bereits auf der Abschußliste stünden, soll Ende des Jahres im Abgeordnetenhaus fallen.
Gefährdet sind insbesondere die Einrichtungen, die nicht in den gesetzlich festgelegten Pflichtbereich des Staates fallen, erläutert Joachim Strunk, Staatssekretär in der Gesundheitsverwaltung. Dazu gehörten u.a. Krankenhäuser, Aids-Prävention und gesundheitliche Kinderfürsorge. Nach den Haushaltsbeschlüssen muß die Gesundheitsverwaltung rund eine Million Mark sparen. Fünf Projekte sollen eingestellt werden.
Auch die Mittel im Jugendhaushalt für Einrichtungen, die sozial und gesellschaftlich schwachen Menschen helfen sollen, sind knapp bemessen. Die Jugendsenatsverwaltung hat beispielsweise kein Geld für das „Kommunikations- und Beratungszentrum homosexueller Frauen und Männer“. Zehn Jahre lang wurde die größte Beratungsstelle dieser Art in Berlin von der Behörde gefördert. Nun soll den Mitarbeitern bis Ende des Jahres gekündigt werden. Dann seien Lesben und Schwule in Krisensituationen auf heterosexuelle Einrichtungen und Psychiatrien angewiesen.
Frauenprojekte sind besonders stark von den Kürzungen betroffen. So soll das „Feministische Frauen Gesundheitszentrum“ dem Rotstift zum Opfer fallen. Bislang wurde dort ohne bürokratischen Aufwand über Verhütungsmethoden informiert, gab es gesundheitliche Beratung. Das „Geburtshaus“, das über alternative Gebärweisen aufklärte, wird möglicherweise ebenfalls geschlossen.
Auch das seit Jahren vom Bundesfamilienministerium geförderte „Wildwasser“-Projekt für mißhandelte Mädchen gerät langsam aber sicher ins Schleudern. Die nach dem Auslaufen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen verbliebenen Beraterinnen können nicht mehr den Schichtdienst bewältigen. Dem „Mädchenhaus“ – eine in Europa einzigartige Zufluchtsstätte für weibliche Gewaltopfer – ergeht es nicht anders.
Auch selbstmordgefährdete Kinder und Jugendliche werden in Zukunft schwerer Ansprechpartner finden. Die auf ihre Probleme spezialisierte Familienberatung „Neuhland“ soll für die bisher vom Bezirksamt getragene Miete künftig selbst aufkommen. dpa
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