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Jede Menge Fragen

■ Ausländerbeauftragte startet neue Plakataktion gegen Rassismus / Statt Slogans viele Fragen zum Nachdenken

Mit einer Plakataktion der besonderen Art möchte die Landesregierung gegen rassistische Vorurteile in der Bevölkerung ankämpfen: Ab heute werden in den U- und S-Bahnhöfen Plakate unter den Titeln „Was ist wahr?“ und „Was ist deutsch?“ aufgehängt, die statt der bekannten Fotos mit den – mehr oder weniger intelligenten – Slogans wie „Ali S. ist auch ein Mensch“, dem Betrachter nur jede Menge Fragen zum Nachdenken anbieten.

Die Ausländerbeauftragte Barbara John sagte gestern, die Kampagne solle dem Betrachter klarmachen, „daß es schnelle und einfache Antworten für komplizierte Zusammenhänge nicht gibt“. Sie räumte ein, die beiden Textplakate – von ihnen werden in den nächsten Wochen 1.200 Exemplare aufgehängt werden – sähen auf den ersten Blick aus „wie eine Bleiwüste“. Doch sei das nicht schlimm, denn „sie werden dort hängen, wo die Menschen Zeit haben“. Das meinte auch Arno Dietsche von der Agentur „Projektateliers“, die die Plakate entworfen und realisiert hat: „Wer auf die U-Bahn wartet, hat sieben bis acht Minuten Zeit. Im Gegensatz zu den meisten Werbeplakaten wird einem bei unserem Plakat nicht langweilig.“

Mit Fragen wie „In Berlin geboren und trotzdem Ausländer?“, „Hunde, die bellen, beißen nicht?“ oder „Ich bin deutsch, ein Stolzer zu sein?“ sollen die BerlinerInnen dazu angeregt werden, „mitzudenken, Klischees in Frage zu stellen und die Unhaltbarkeit weit verbreiteter Meinungen zu durchschauen“, sagte John.

Da die Deutschen bisher „nicht genug Selbstgewißheit über sich selbst erarbeitet“ hätten, sei die zweite Fragenserie unter das Motto „Was ist deutsch?“ gestellt worden. „Ausländerhaß? Offenheit? Betroffenheit? Baseballschläger?“ – Antworten muß jeder selbst geben, oder noch mehr Fragen stellen: „Bedenkenswerte Anregungen“ aus der Bevölkerung sollen bis Dezember ein drittes Plakat füllen.

Daß die Aktion am Ende nur Ratlosigkeit erzeugen könnte, findet die Ausländerbeauftragte nicht schlimm. Im Gegenteil: „Wenn man weiß, daß man nichts mehr weiß, ist man auch nicht mehr der gewaltsame Vollstrecker einfacher Lösungen.“ Eine Antwort konnte die Ausländerbeauftragte am Ende doch noch geben: Gefragt, was sie denn unter „Deutschsein“ verstehe, antwortete sie: „Deutsch ist auch, eine solche Plakataktion in so einer Situation zu starten.“ Ulrich Jonas

Wer sich angesprochen fühlt, schickt bis 30.11. eine Postkarte an die Ausländerbeauftragte, Potsdamer Straße 65, 10785 Berlin. Vornamen und Alter hinzuschreiben. Die Plakate sind im DIN-A1-Format bei obiger Adresse zu bekommen.

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