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Bekehrung mit Gewinn

Der Henkel-Waschmittelkonzern verhandelt mit Entwicklungshilfe-Projekten über die Umwelt- und Sozialverträglichkeit seiner Produkte  ■ Von Dawid Bartelt

Berlin (taz) – Grün war das Persil-Image der Henkel-Waschmittel bisher nicht. Die Werbeabteilung des Konzerns ließ sich deshalb vor zwei Jahren ein neues Logo einfallen: eine zur Weltkugel stilisierte Ellipse in Grün oder Gold mit dem Schriftzug „umweltverträglich“. Kritiker und Kritikerinnen ließen sich davon gar nicht besänftigen: eine – womöglich weltweite – Umweltverträglichkeit gebe es bei den Produzenten der Waschmittelrohstoffe nicht, sagten sie.

Die erstaunliche Konsequenz: Der deutsche Marktführer bei Wasch- und Reinigungsmitteln trifft sich inzwischen regelmäßig mit Vertretern des Kirchlichen Entwicklungsdienstes (KED) in Westfalen, um sich seine Werbemethoden für Waschmittel und seine Einkaufspolitik des wichtigen Waschmittelrohstoffs Kokosöl vorhalten zu lassen. Und statt die Christen, die erklärtermaßen mit anderen multiunfreundlichen Entwicklungsorganisationen im Verbund stehen, einfach links liegenzulassen, finden es Henkel-Mitarbeiter heute „richtig, wenn von engagierter Seite das geringe Einkommen der Kokosfarmer angeprangert wird und mit ihm unsere Fehlleistungen des Weltrohstoffhandels der industrialisierten Nationen“.

Nachzulesen in einer Hauspublikation des Konzerns. Hinter so viel kapitalismuskritischer Einsicht steckt zuvorderst die Sorge um einen wachsenden Markt. Im Zeichen des Öko-Images wächst der Einsatz von „nachwachsenden Rohstoffen“ wie Kokos- oder Palmkernöl in der Herstellung von Wasch- und Reinigungsmitteln beständig. Bei der Produktion der waschaktiven Substanzen, „Tenside“ genannt, ersetzen die Hersteller heutzutage den Rohstoff Erdöl bereits zu 31 Prozent durch „oleochemische Rohstoffe“ wie Palm- und Kokosöl, die in der Regel aus Südostasien importiert werden, dem mittlerweile weltweit dominierenden Produktionszentrum für Fettiges aus Palmgewächsen.

Auch aus dem Öl des Raps, um den sich EG und USA vor kurzem noch einen Handelskrieg liefern wollten, können die Chemiker Tenside herstellen. Billiger und besser ist aber das Kokosöl. Henkel deckt 15 Prozent seines Bedarfs auf den Philippinen, die allein über die Hälfte allen auf dem Weltmarkt umgesetzten Kokosöls produzieren. Der Konzern sieht sich selbst als „führend in der Welt bei der Verarbeitung von nachwachsenden Rohstoffen“. Stolz weist der Leiter der Abteilung für nachwachsende Rohstoffe, Frank Hirsinger, darauf hin, daß der Oldtimer Persil seit Jahresbeginn nur noch Tenside enthält, denen als Basis das Kokosöl dient – allerdings weiter mit einem mineralischen Anteil von 27 Prozent.

Daß Henkel damit schon die Umwelt weltweit schütze, das wollten Solidaritäts- und Menschenrechtsgruppen sowenig einsehen wie der Kirchliche Entwicklungsdienst, die sich in einer „Arbeitsgruppe Nachwachsende Rohstoffe in der Wasch- und Reinigungsmittel-Herstellung“ zusammentaten. Umweltverträglich sei die Verwendung von Kokosöl nur bei uns Konsumenten. Auf den Philippinen, wo Kokospalmen zwar von Kleinpächtern, dennoch vielfach in Monokultur und teilweise auf gerodetem Regenwaldterrain angebaut werden, sei es mit der Umweltverträglichkeit nicht weit her.

Und „sozialverträglich“ sei der Anbau dieses Rohstoffes für die Produzenten, die Kokos-Kleinbauern, schon gar nicht. In einer Broschüre für den Kirchentag 1991 forderte der Kirchliche Entwicklungsdienst „gerechtere“ Preise. Henkel möge bei philippinischen Kokos-Kooperativen einkaufen, um die ausbeuterischen Zwischenhandelsstufen auszuschalten. Auch sei an einen „Rohstoff- Fonds“ zum Aufbau von Kooperativen zu denken, der mit Industriegeldern finanziert werden solle.

Henkel fand das zunächst ein starkes Stück und beschwerte sich bei der Kirchenleitung. Der Streit endete versöhnlich. Kirche und Konzern verabredeten ein Treffen und sprachen über Industrieproduktion mit Rohstoffen aus der Dritten Welt. Vier Konferenzen fanden bisher statt, in Düsseldorf sind Lernprozesse zu notieren. „Die Kirche hat uns bekehrt“, gibt Hirsinger zu.

Motiv war aber wohl vor allem die Furcht vor der publizistischen Macht der Kirche. Henkel will gerade bei der umweltbewußten Mittelschicht nicht als Sündenbock dastehen. Die Firma argumentiert also, daß der weitaus größere Teil der Kokos- oder Palmöle in der Nahrungsmittelindustrie verarbeitet würde. Und schließlich sei Henkel nicht der einzige Hersteller von Wasch- und Reinigungsmitteln. Außerdem könne ein internationaler Konzern nicht zu sozialen und politischen Fragen im Ausland Stellung nehmen.

Henkel hat aber mittlerweile zugesagt, sich an einem Projekt zum Aufbau von Kokos-Kooperativen auf den Philippinen zu beteiligen. Den Zwischenhandel ausschalten, die Produktivität mit Dünger und Pflanzenschutzmitteln erhöhen, die Ölqualität verbessern – so lautet die Rangordnung der Firmenziele. Die Arbeitsgruppe stellt die Bildungsarbeit und das „Fairtrade“-Prinzip der „gerechteren“ Rohstoffpreise über dem niedrigen Weltmarktniveau nach vorne.

Im September wird weiterverhandelt. Ob Henkel dann sein Kokosöl tatsächlich bei solchen Kooperativen zu einem Preis über Weltmarktniveau einkauft, hängt dann von der Konkurrenz ab. Procter & Gamble (Ariel) und Unilever (Sunil) sollen auch an den Gesprächstisch geholt werden. Ziehen sie nicht mit, gibt Hirsinger dem kirchlichen Projekt schlechte Chancen. Bei aller Bekehrung – der Gewinn muß stimmen.

Neben Kirche und Konzern befaßt sich nun auch der Staat mit dem Thema. Im Auftrag des Umwelt-Bundesamtes führt das Öko- Institut in Freiburg zur Zeit eine „Produktlinienanalyse“ zu Waschmitteln durch. Produktlinienanalysen untersuchen den gesamten Herstellungsprozeß eines Produkts vom Rohstoff bis zur Entsorgung und dienen vor allem dazu, ökologische Prädikate („Umweltengel“) zu vergeben und Marketing-Strategien zu entwickeln.

Bisher nicht enthalten in solchen Öko-Bilanzen ist eine Klärung der ökologischen Vor- und Nachteile für die Produzentenländer und eine entwicklungspolitische Beurteilung. Die Arbeitsgruppe „Nachwachsende Rohstoffe“ ist an den Projektwerkstätten der Analyse beteiligt und hat mit „zähneknirschendem Einverständnis der Industrie“ (Bernd Schütze vom Kirchlichen Entwicklungsdienst Westfalen) erreicht, daß die „Sozialverträglichkeit“ für die Kokosbauern in die Studie aufgenommen wird.

Das Öko-Institut macht sich dadurch eine Konzeption zu eigen, die hierzulande im Begriff steht, die klassische entwicklungspolitische Bildungs- und Bewußtseinsarbeit abzulösen. Der „Fairtrade“- Kaffee hält bereits Einzug in die Supermärkte und Großbetriebe. Hinter Fairtrade stehen – neben der Informationsarbeit – direktes Lobbying bei Politikern und bei der Wirtschaft für Projekte, die die ausbeuterischen Weltmarktstrukturen umgehen und gleichzeitig Industrie und Konsumenten im Norden einbinden sollen.

Ob Kaffee oder Kokos: die Frage bleibt, ob sich weltwirtschaftliche „Gerechtigkeit“ mit der privatwirtschaftlichen Gewinnlogik verträgt. Es ist doch eher selten, daß der Hund zur Katze ins Rattan-Körbchen kriecht.

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