piwik no script img

Ein "Tempel" für die Diva

■ In einer Schöneberger Altbauwohnung steht die größte Zarah-Leander-Sammlung der Welt / Der 57jährige Paul Seiler zeigt seine Erinnerungsstücke auch Besuchern

Der „Tempel“, den der Wahlberliner Paul Seiler für Zarah Leander in seiner Schöneberger Altbauwohnung errichtete, steht Besuchern offen wie ein Museum. Beim Eintritt grüßt die Diva (1907–1981) mit dem dunklen Schmachteblick hinter langen Wimpern im Riesenformat von den Korridorwänden. Auf Wunsch vom Tonband die rauchige Stimme: „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n...“ Mit rund 20.000 Erinnerungsstücken ist Seilers Sammlung über die schwedische Sängerin und Schauspielerin die wahrscheinlich größte der Welt. Möglich, daß der 57jährige sie später einem Filmmuseum vermacht. Potsdam-Babelsberg, wo die Künstlerin in den Ufa-Studios zwischen 1936–1943 zum Weltstar aufstieg, wäre schon ein geeigneter Ort, überlegt Seiler.

Als der gebürtige Schweizer 1958 nach Berlin kam, war er schon über „beide Ohren in die Leander verliebt“. Seine lebenslange Treue zahlte sich in drei Büchern aus, die er seiner großen Leidenschaft widmete. Zusammen mit Regisseur Christian Blackwood arbeitete er 1984 an dem filmischen Porträt „Mein Leben für Zarah Leander“. „Die Beschäftigung mit Zarah hat aus mir keinen Filmkritiker gemacht. Ich war ihr Fan. Jetzt bin ich eher eine Institution, ein Vermächtnisverwalter“, meint Seiler. Er hilft, wenn eine Plattenfirma mit Titelrechten nicht klarkommt oder einer ein Kostüm ganz genau beschrieben haben will. Auf Video besitzt er sämtliche Filme. Über 250 ihrer Lieder sind in Notenschriften, auf Tonband und Schallplatte abrufbar. Rund 1.000 Fotos, Unmengen von Zeitungsausschnitten, Plakaten, Filmprogrammen, Widmungen und Verträgen füllen Mappen und Regale.

Seiler besorgte sich eine Geburtsurkunde in der Pfarrei im schwedischen Karlstad und will es genau wissen: „Sie hat sich nicht jünger gemacht.“ Noch immer ärgert er sich: „Die in München versteigerten Tagebücher gingen mir durch die Lappen.“ Dafür kann er eine Perlenkette präsentieren, die die geheimnisumwitterte Künstlerin 20 Jahre in ihren Filmen trug.

Sieben Jahre war Seiler, als ihn sein Vater im heimischen Bern ans Radio holte, weil die „Frau mit der tiefen Stimme singt“. Mit 18 Jahren sah er die Schauspielerin erstmals in dem 1953 gedrehten Streifen „Ave Maria“. Danach ging es Schlag auf Schlag: Er reiste zum Konzert nach Luzern und schickte weißen Flieder ins Hotel. 1958, als die Künstlerin in Berlin Lieder für eine Schallplatte neu einstudierte, kochte Schauspielstudent Seiler für sie in den Pausen Kaffee. Die Fotos, die ihn zusammen mit seiner „großen Liebe“ zeigen, gehören zum Kapital der Sammlung. Irma Weinreich (dpa)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen