: Der Kommissar geht um
■ Warum mit dem einäugigen Inspektor Columbo so nachsichtig verfahren wird
Auf irgendeinem Privat- oder Nebenkanal tauchen sie irgendwann alle wieder auf, die Krimihelden unserer Jugend: Columbo, Kojak, Petrocelli und sogar der leicht debile Percy Stuart. Nunmehr ausgestattet mit einschlägig geschärftem Bewußtsein und gerüstet mit der analytischen Meßlatte, nimmt der hauptamtliche Bildschirmbeobachter sich ihrer gern noch einmal an – und erlebt manche Überraschung.
„Derrick“ zum Beispiel, bekannt als Mann ohne Eigenschaften, als Stoiker par excellence, neigte einst zum cholerischen Ausbruch! In einer gut zehn Jahre alten Episode lieferte er nicht nur den Mörder ans Messer, sondern auch Beweise seines köchelnden Temperaments – ein kleiner Sünder moserte unflätig wider die Polizei und bekam dafür postwendend, sagen wir es ungeschönt, gewaltig eins in die Fresse. Schimanski wäre für diesen Exzeß seitens der Presse und der Polizeigewerkschaft tüchtig getadelt worden, Derrick und Klein aber kamen damit durch – ohne Dienstaufsichtsverfahren, Abmahnung oder Krisensitzung der Innenministerkonferenz.
Der mit allen Rasierwassern gewaschene Schimanski – auch er ist heuer nur noch via Wiederholung zugänglich. Gewohnheitsmäßig stand sein verludertes Äußeres im Kreuzfeuer der Kritik, machte aber umgekehrt auch Mode. In bester Erinnerung ist das handgemalte Plakat im Eingangsbereich eines Kaufhauses, das wetterfeste „Schimanski-Jacken“ an den harten Mann zu bringen suchte.
Sorgten Schimanskis legere Garderobe und sein laxer Umgang mit den Dienstvorschriften für Entrüstung, verzieh das Fernsehvolk dem sympathischen kleinen Italo-Amerikaner Columbo stinkende Zigarren und die Vernachlässigung seines pittoresken Vehikels. Liegt es am Behindertenbonus – Columbo hat bekanntlich nur ein Auge –, daß mit dem kalifornischen Inspektor nachsichtiger verfahren wurde als mit dem Draufgänger aus Duisburg?
Die über jahrhundertealte demokratische Strukturen verfügenden angelsächsischen Stämme begegnen ihren Fernsehkommissaren seltsamerweise ungleich hingebungsvoller als die obrigkeitshörigen Nörgelgermanen. Als Theo Kojak beim „Einsatz in Manhattan“ häufiger zum Lollipop als zur Dienstwaffe griff, stieg der Umsatz dieser Süßware in den USA um satte 500 Prozent. Phrasen wie „Who loves ya, baby?“ (Kojak) oder „Just the facts, ma'am“ (Joe Friday) gingen schnurstracks in den allgemeinen Sprachschatz ein (und geben Anglisten ohne TV- Sozialisation immer noch Rätsel auf). Wer hingegen zitiert hierzulande einen Matula oder Andreas Wolff ...
„Was für 'n Wolff?“ fragt gerade jemand aus der ersten Reihe, und da haben wir es schon: noble Blässe obliegt, wenn unsere faden Fahnder antreten zur Jagd auf verlorene Einschaltquoten. Anders in England und den USA. Roger Moore, Kim Basinger, Michelle Pfeiffer, Burt Reynolds, Michael Douglas, Charles Bronson, Walther Matthau, Lee Marvin taten erste Karriereschritte, indem sie serienmäßig gerissene Gauner und grundüble Gangster dauerhaft dingfest machten. Dem haben wir nur unseren Götz George entgegenzusetzen, und der hatte seine Kinokarriere schon hinter sich, als er am „Tatort“ eintraf. So lautet das traurige Fazit dieser kleinen Betrachtung: Unsere deutschen TV-Kommissare machen und geben nicht sehr viel her. Kommissar Keller
Krimi-Konserven heute im ZDF: „Percy Stuart“, 14.30 Uhr;
„Der Alte“, 19.25 Uhr;
„Derrick“, 23 Uhr.
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