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Der Hahn bleibt zu, der Kampf geht weiter

■ Michael Derda wird Chef des Ernst-Waldau-Theaters / Trüpel: „Nur eine Übergangslösung!“ / Rebers: „Von wegen!“

„Das ist die Lösung“, sagt Friedrich „Sparkasse“ Rebers: Michael Derda, Mitbetreiber des kleinwinzigen Packhaus- Theaters, wird demnächst die Leitung des großmächtigen Ernst-Waldau-Theaters übernehmen. Die alte Chefin Ingrid Waldau-Andersen wird endgültig zur Volksschausspielerin herabgestuft, und der alte Chefdramaturg Rolf B. Wessels wird doch noch als Rauchopfer dargebracht: Er muß zum Jahresende das Haus verlassen.

„Das kann nur eine Übergangslösung sein“, sagt dagegen die Kultursenatorin. „Die Deputation hat ja beschlossen, die Förderung dieses Theaters in seiner bisherigen Form zum Ende der nächsten Spielzeit einzustellen“. Ab Mitte 1994 also sollen statt bislang 1,25 Millionen Mark nur noch deren 200.000 bezahlt werden: genug fürs reine Weiterbestehen des Hauses, mehr nicht. „In diesem Sinn“, sagt Helga Trüpel, „kommt der Neuanfang mit Michael Derda zu spät. Das Geld ist einfach nicht mehr da.“

Bis dato hatte sich die Senatorin in Langmut geübt, und der geforderte „Neuanfang mit neuen Leuten“ hatte sich dennoch nicht einstellen wollen. Jetzt neigt sie zum Ingrimm: „Daß die GmbH das bis jetzt nicht geleistet hat, zeigt schon, daß es richtig war, den Hahn zuzudrehen.“

Die Kulturbehörde möchte den Riesenbau im nächsten Jahr evtl. einer gemischten Nutzung zuführen: Dort könnte das Staatsorchester proben und sich die Miete für die Glocke ersparen. Und vor allem fände die Kammerphilharmonie Platz, vielleicht auch zum Abhalten richtiger Konzerte: Wenn der Umbau der Böhmers-Villa in Vegesack wirklich zu teuer käme, wie sich abzeuchnet, könnte doch der Wirtschaftssenator das dafür vorgesehene Geld ins Waldau-Theater stecken, findet Helga Trüpel. Die Kammerphilharmonie ist mit der Akustik nicht unzufrieden; vielleicht ließe sich wirklich einer der Säle preiswert zur Konzertreife bringen.

Auch die freie Theaterszene könnte dort womöglich, sagt die Senatorin, eine Heimstatt finden. Für die gerechte Sache des Niederdeutschen Theaters bliebe dann weniger Platz, und wer sie dereinst betreiben darf, ist auch noch nicht ausgemacht. Schon betritt ein ein Häuflein putschgestählter Waldau-Dissidenten um den Regisseur Werner Michaelsen die Szene: Im November bringen diese im Schauspielhaus (!) wahrhaftig ein niederdeutsches Stück zur Uraufführung — und wenn sich die Truppe künstlerisch bewährt, könnte sie durchaus einmal im Triumphzug in ihr altes Haus zurückkehren.

Aber da ist auch schon der Wirt mit der Rechnung: „Wenn die Trüpel meint, daß sie das machen kann“, sagt sinnend Friedrich Rebers, Sparkassenvorstand und nebenher Chef der Waldau-GmbH, „dann nur zu. Wir werden alles tun gegen eine Beschneidung unseres Theaters.“ Er weiß auch schon, wie: „Das Haus gehört ja doch dem Trägerverein. Die Kulturbehörde hat zwar Hypotheken auf das Gebäude, aber der Hauptgläubiger ist die Sparkasse! Die müßte schon erst mal ausgelöst werden, aber da mach ich natürlich keinen Finger krumm!“

Bleibt abzuwarten, wie sich Michael Derda schlägt. Das Packhaus-Theater will er seines neuen Amtes wegen erst einmal nicht verlassen: Er denkt lieber an gegenseitiges Nutznießen, z.B. an die Auslagerung gefragter Packhaus-Produktionen auf die große Waldau-Bühne. Der größte Teil des Programms soll nach wie vor mit niederdeutschen Stücken bestritten werden, versetzt mit dem einen oder anderen Boulevard-Gastspiel.

Fraglich ist aber noch, welche Kompetenzen sich Derda erobern kann. Schon hat sich als Gegner, wie Eingeweihte flüstern, der sechsfache Reformhausbesitzer Helmut Zorn erhoben, welcher seit einem halben Jahr ehrenamtlich die kaufmännische Leitung des Hauses ausübt. Wie es scheint, hat Zorn in dieser Zeit großen Gefallen am Leben eines Theaterdirektors gefunden. Es soll sogar schon einen Spielplanentwurf aus seiner Hand geben, dergestalt, daß er jetzt einfach all die Stücke wieder auflegen will, die sich früher schon einmal als Publikumsrenner bewährt haben. Mit solchen Plänen rumpelt er nun naturgemäß gegen Derdas Sinnen und Trachten. Selber will Zorn dazu „kein Wort sagen“, ehe er nicht weiß, „was genau in Herrn Derdas Vertrag steht“. Manfred Dworschak

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