: Rassismus im Gefängnis
■ Häftlinge der JSA Plötzensee beklagen Diskriminierung durch Gefangene und Personal / Leiter: "Keine Hinweise"
Eine Gruppe von 15 türkischen und deutschen Haftinsassen der Jugendstrafanstalt (JSA) Plötzensee hat in einem Brief rassistische Diskriminierungen und Übergriffe von Mitgefangenen und Bediensteten beklagt. Beschwerden an den Anstaltsleiter seien „ohne Echo“ geblieben, deswegen wende man sich nun an die Öffentlichkeit.
Ausländische Häftlinge würden immer wieder sowohl von Gefangenen als auch von Bediensteten der JSA durch Beschimpfungen wie „Kanaken“ oder „Schweine“ provoziert. Diese „rasten dann aus... und werden von denselben Bediensteten brutal zusammengeschlagen“. Rechtsradikale Musik werde, insbesondere abends, abgespielt, ohne daß dagegen eingeschritten werde: „Die Bediensteten tun so als ob sie taub wären.“ Viele von ihnen würden „die politische Einstellung der rechtsradikalen deutschen Gefangenen unterstützen oder sogar vertreten“.
Der Leiter der JSA, Marius Fiedler, bestritt diese Vorwürfe gestern. Seine Sozialarbeiter und Psychologen, „die ja in den Wohngruppen sitzen“, hätten „überhaupt keine Hinweise“ auf die angesprochenen Vorfälle. Provokationen seitens seiner Bediensteten könne er sich „nicht vorstellen“. Ebenso sei es „falsch, daß gegen rechtsradikale Musik nichts getan“ werde: In der letzten Zeit habe man „10 bis 15 Kassetten sichergestellt“ und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Fiedler räumte ein, daß Beschwerden über rechtsradikale Übergriffe von Bediensteten an ihn herangetragen worden seien, aber: „Wir konnten nichts feststellen.“ Das Problem Rassismus tauche „immer mal wieder“ auf, denn „natürlich gibt es hier Gefangene, die von sich behaupten, sie seien rechtsradikal“. Das sei jedoch nicht überzubewerten: „Selbst die ,Schlimmsten‘ stehen in der Küche neben Türken und bruzzeln ihr Abendessen.“
Rechtsanwalt Stefan Schrage weiß aus seiner Praxis zu berichten, daß es in der JSA „ziemlich heftig abgeht: Da werden Schwarze von Deutschen genauso angemacht wie Deutsche von Türken“. Nach seiner Einschätzung „treten die ganzen Hierarchieverhältnisse in der Gesellschaft da potenziert auf“. Dietlind Weider, Vorsitzende des Anstaltsbeirats der JSA, sagte der taz, sie habe kürzlich „von Betreuern“ Hinweise auf Diskriminierungen erhalten, könne aber „keine konkreten Vorfälle“ nennen. Die Insassenvertreter hätten ihr gegenüber bisher „nichts gesagt“. Das könne aber auch mit „der Angst vor Repressalien“ zusammenhängen.
Ismail Kosan, ausländerpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Grüne, will ebenfalls Bedienstete der JSA kennen, die ihn „auf rechtsradikale Übergriffe aufmerksam gemacht“ haben. Er informiert darüber heute die Presse.
Nach Angaben von Fiedler sitzen in der JSA rund 400 Jugendliche in gemischten Wohngruppen ein. Knapp die Hälfte davon seien Ausländer, darunter „ein großer Teil Türken und Libanesen mit Geburtsort Berlin“. Ulrich Jonas
Siehe Kommentar Seite 21
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