: Kirchenstreit in der Ukraine
■ Die griechisch-katholische Kirche kämpft um formelle Rehabilitierung
Warschau (taz) — Obwohl im Frühjahr dieses Jahres Tausende Ukrainer in Lviv und Ivano-Frankivsk für eine formelle Rehabilitierung der griechisch-katholischen Kirche demonstrierten, erteilte der ukrainische Präsident Krawtschuk den Kirchenoberen am Dienstag eine Absage: Das Verbot der Unierten von 1946 müsse nicht aufgehoben werden, da die sowjetischen Gesetze in der Ukraine sowieso keine Gültigkeit mehr hätten. Die unierte Kirche, die zwar den orthodoxen Ritus pflegt, aber seit dem 16. Jahrhundert dem Papst in Rom untersteht, ist seit drei Jahren wieder offiziell aktiv. Seither wandern zu ihr zehntausende Gläubige und hunderte von Priestern der Orthodoxen Kirche ab. Streit gibt es auch um Kirchengebäude, die nach 46 an die Orthodoxe Kirche fielen und deren Rückgabe die Unierten nun verlangen. Bei einer formellen Rehabilitierung wären sie Eigentum der griechisch-katholischen Kirche, während so über jeden Rückgabeantrag der Staat als Eigentümer entscheiden muß.
Gegen sich hat die griechisch- katholische Kirche nicht nur die Orthodoxen, sondern auch die Staatsführung in Kiew, der alle Kirchen, deren Führung sich außer Landes befindet, ein Dorn im Auge sind. Daher unterstützen Krawtschuk und der einflußreiche Parlamentsvorsitzende Pluschtsch auch jene Gruppe orthodoxer Bischöfe um den selbsternannten „Patriarchen von Kiew“, Filaret, die versucht, die ukrainischen Orthodoxen vom Moskauer Partriarchat zu lösen. Diese Versuche haben zu einer Spaltung der ukrainischen Orthodoxen geführt.
Der Streit um die Rückgabe enteigneter Kirchengüter wird damit auch innenpolitisch nicht einfacher: Die Auseinandersetzung zwischen den Kirchen wird in der Ukraine härter geführt als politische Richtungskämpfe. Fast regelmäßig kommt es zu gewaltsamen Kirchenbesetzungen, Prügeleien und Demonstrationen vor Kirchen. Die „Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche“, deren Exiloberhaupt Mstislav erst Mitte Juni gestorben ist und die nun ganz unter den Einfluß des Nationalisten Filaret zu fallen droht, verfügt sogar über dienstbereite Rollkommandos ukrainischer Nationalisten. Ihre Existenz wurde bekannt, als sie letztes Jahr das berühmte Lavra-Kloster in Kiev mit Knüppeln „räumten“ und dabei auch alte Frauen nicht verschonten. Klaus Bachmann
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