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Weine nicht, wenn Dein Postamt schließt

■ Gewerkschaft macht gegen Schließungen mobil / Maulkorb für Bedienstete     Von Marco Carini

Dorothea H. ließ die drohende Schließung ihrer Postfiliale nicht ruhen. Am Mittwoch und Donnerstag klapperte die 81jährige, bewaffnet mit einem Kugelschreiber und mehreren Unterschriftenlisten die Nachbarhäuser in der Caspar-Voigt-Straße ab. 99 NachbarInnen haben ihre Unterschrift unter die Forderung gesetzt: „Unser Postamt Griesstraße muß erhalten bleiben“.

Vor diesem Amt sammeln sich am Freitag Menschentrauben, empört darüber, daß die Bonner Postdienstzentrale mehr als 40 Hamburger Postämter schließen will. Die Hamburger Sektion der Deutschen Postgewerkschaft hat hier - wie vor rund 30 anderen Ämtern - gestern mit ihrer Kampagne gegen den Filialen-Kahlschlag begonnen. Ein halbes Dutzend GewerkschaftlerInnen informiert die AnwohnerInnen darüber, daß sie - nach dem Willen der Postoberen - an der Griesstraße bald keine Pakete mehr abgeben können. Die gewerkschaftliche Songgruppe „Gelbfieber“ hat ein paar Gassenhauer mit neuen Texten versehen, um den Protest musikalisch zu unterstützen. „Weine nicht wenn dein Postamt schließt, damm damm - damm damm“ schallt es frei nach Drafi Deutscher durch die Griesstraße. Und weiter: „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Sparwut nicht“.

Rund 1000 Protest-Unterschriften haben die GewerkschaftlerInnen bereits nach einer Stunde vor dem Postamt 103 gesammelt. „Statt drei Minuten muß ich dann 'ne halbe Stunde zum nächsten Postamt laufen“, klagt eine Seniorin in den hohen Siebzigern, „da spielen meine Beine nicht mehr mit“. Da angeblich nur Ämter geschlossen werden sollen, die wenig ausgelastet sind, kann Christine W. „überhaupt nicht verstehen“, daß an der Griesstraße bald Zapfenstreich sein soll.

„Ich muß hier oft eine Stunde am Schalter anstehen“, beschreibt die 30jährige Juristin, was fehlende Auslastung in der Praxis bedeutet. Ein Mitvierziger will zukünftig nicht meilenweit für jede Barauszahlung laufen: „Mein Postgiro-Konto wechselt zur Bank, ich bin doch nicht der camel-man“. Schweigen tun nur die Postbediensteten hinter dem Schalter: „Uns wurde von der Postdirektion verboten, uns dazu zu äußern“, lautet ihre stereotype Auskunft .

Nach einstündigem Auftritt zieht „Gelbfieber“ weiter zum Postamt 602 in der Fuhlsbüttler Straße. Hier haben sogar die Angestellten der Filiale eines Versandhauses eine Initiative gegen die Postdienst-Pläne ins Leben gerufen, in fast allen Einzelhandelsgeschäften der Umgebung liegen Unterschriftenlisten aus. Für nächsten Dienstag hat bereits die GAL für 16 Uhr eine Demonstration vor Amt 609 am Martin-Haller-Ring angemeldet. Eine Postfiliale, für deren Erhalt auch Hamburgs Sparsenator Wolfgang Curilla in einem Brief an Bundespostminister Bötsch eintrat. Sein Protest gegen die Schließung dieses - und nur dieses Amtes kostet den wackeren Wahlkämpfer genau eine einzige Porto-Mark.

Dorothea H. hat da mehr investiert, zumindest an Zeit. Sie sucht mittlerweile ihre Bezugsgruppe. „Nur weil sie schon bei mir gegen die Postschließung unterschrieben haben, glauben meine Nachbarn wohl, an der Protestveranstaltung nicht mehr teilnehmen zu müssen“, mokiert sich die alte Dame und stapft mit bitterböse Miene und drohender Stimme davon: „Die gehe ich jetzt holen“.

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