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Moschee des Lichts mitten im Viertel

■ Arabische Moschee seit Monaten unbemerkt / 300 Gläubige beim Freitagsgebet

Jeden Freitag um die Mittagszeit dasselbe Bild: Bärtige Männer, zum Teil begleitet von tief verschleierten Frauen, streben ins Steintor. Dort, versteckt zwischen Wohnhäusern und fast unbemerkt, ist in den letzten Monaten eine Moschee entstanden, und da wollen die Leute hin. Bis zu 300 gläubige Moslems kommen in jeder Woche zum Freitagsgebet. Und ganz entgegen aller Erfahrungen mit der grassierenden deutschen Angst vor dem Fremden scheint es den Steintorschen ziemlich egal zu sein, was sich da in ihrer Nachbarschaft abspielt. Erst jetzt hat es eine Anfrage beim Ortsamt gegeben, was denn da eigentlich hinter verschlossennen Türen passiert. Doch auch da wußte niemand etwas von der neuen Kirche.

Ein feuchter Windfang, auf den Regalen stehen mehrere Schuhpaare, ein ebenerdiger Gebetsraum, vom Flur her sind Männerstimmen zu hören. Es ist Mittag, noch gut eine Stunde Zeit bis zum Freitagsgebet, dem Hauptgebet der Moslems. Die ersten Männer sind schon da, um sich vorzubereiten, aber heute bereiten sie vor allem den Raum vor: Nach dem norddeutschen Dauerregen der letzten Tage stehen große Pfützen auf dem Estrich und der Teppich ist an einigen Stellen eingeweicht. Eigentlich gar keine Zeit für Fremde, die hereingeschneit kommen und Fragen stellen, und eigentlich auch keine Lust, diese Fragen zu beantworten. Erst langsam weicht das Mißtrauen.

Im November letzten Jahres hat alles angefangen. Da hat eine Gruppe arabischer Moslems das Haus gemietet. „Wir waren vorher immer in der Moschee am Breitenweg, aber die ist viel zu klein geworden“, sagt Issa A., ein Mann um die fünfzig, der jede Frage sorgsam abzuwägen scheint, ehe er das Gewicht seiner Antwort bestimmt. Wenn es am Breitenweg zu eng geworden sei, ob denn da nicht der Gedanke nahegelegen habe, in die großen türkischen Moscheen zu gehen? „Die Türken gehen nach Gröpelingen“, sagt Issa A. Punktum. Denn er ist kein Türke, sondern Araber. Die dorthin, wir hierhin, das scheint die feste Ordnung zu sein. So entstand die Anur-Moschee.

Anur ist arabisch und heißt Licht. Aber bis das im Steintor wenigstens ein bißchen scheinen konnte, war eine Menge Arbeit nötig. Aus den Lagerräumen einer Textilfirma eine moslemische Gebetsstätte zu machen, das hat über ein Vierteljahr gedauert, und die Umbauten sind noch längst nicht am Ende. Seit Februar wird dort täglich gebetet, wenn aber alles fertig ist, soll es neben den Gottesdiensten Arabischkurse und eine Koranschule geben. Aber bis dahin wird noch einige Zeit vergehen: „Wer Zeit hat, der kommt und hilft“, erzählt Ayman S., „so ist das bei uns. Deshalb dauert alles auch ein bißchen länger.“

Ayman S., ein Mann in den Vierzigern, freundlich, aber bestimmt, wohnt gar nicht in Bremen — wie viele derjenigen, die Freitags ins Viertel kommen. Die Anur-Moschee hat sich in ihrem jungen Leben zum Zentrum der arabischen Moslems für Bremen und Umzu entwickelt. Das zeigen schon die vielen Gläubigen, die Freitag für Freitag angepilgert kommen. Einen festen Imam gibt es allerdings nicht, erzählen die Männer. Vier Männer wechseln sich in der Rolle des Vorbeters ab, „das sind die, die schon mehr Erfahrung mit dem Koran haben“, sagt Ayman S. Doch welche Richtung des Islam in der Moschee gepredigt wird, die Frage bleibt unbeantwortet. „Wir sind alle Moslems“, sagt Issa A. und lächelt freundlich.

Viel über sich möchten die Männer gar nicht erzählen, und über das Zusammenleben mit denen, die nebenan wohnen, gibt es auch kaum etwas zu berichten. Die Nachbarn, „mit denen kommen wir gut aus“, sagt Radvan H., ein Kollege von Ayman S. aus einem Pharmabetrieb. Man grüßt sich und damit Schluß. „Keine Kontakte, aber auch keine Probleme“, sagt Issa A. Und auch die Steintorschen selbst stören sich nicht an den neuen Nachbarn.

Die Zeit drängt, wenn wir noch Fotos machen wollen, sollten wir uns beeilen, sagen die Männer. Bald ist die Hälfte des Tages zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang erreicht, das ist die Zeit für das Mittagsgebet. Immer mehr Männer trudeln ein und werden herzlich begrüßt. Einige verschwinden in einem Hinterzimmer und kommen im blütenweißen Kaftan zurück. Besichtigung: Den größeren Teil der neuen Moschee haben wir noch gar nicht gesehen. In den Gebetsraum im Erdgeschoß würden auch niemals 300 Menschen passen. „Das ist der Gebetsraum für die Frauen“, erklärt Radvan H..

Wir steigen eine schmale Treppe hinab. „Alles naß“, seufzt Ayman S., „das Wasser ist durch die Kellerfenster gekommen.“ Ein großer, aber niedriger Kellerraum mit roher Betondecke und holzvertäfelten Wänden — das ist der Gebetsraum für hunderte gläubiger Moslems. Klebestreifen am Boden zeigen in Richtung Mekka. Mehr war aus diesem Raum kaum zu machen, doch trotz der vielen Quadratmeter wirkt er geduckt und muffig.

Immer mehr Gläubige sammeln sich. Einer sitzt in der Ecke vor einem Bücherregal und liest gedankenversunken im Koran. „Im Namen Allahs des Barmherzigen“, schreibt uns einer der Männer in arabisch auf eine Tafel. Erst jetzt, ganz am Ende des Besuchs, schwindet die Distanz ein wenig zwischen den Gläubigen und den fremden Fragenstellern.

Oben am Ausgang sitzt ein Mann singend hinter einem Tisch. Darauf hält er alles für das Heimgebet feil: Religiöses auf Video und Tonbandkassette.

Jochen Grabler

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