piwik no script img

Gestrecktes Opium für Versager

■ Monumental: Junges Musical Hamburg zeigt den „Little Shop of Horrors“ in der Markthalle

Mit großer Regelmäßigkeit fällt überall auf der Welt eine kleine, exotische Planze in den Schoß einer chinesischen Blumenhändlerin, um an den tolpatschigen Seymor Krellbourne verkauft zu werden. Auch in Hamburg ist es mal wieder so weit. Diesmal ist Audrey Zwo, so der Name des pittoresken Gewächses, in der Markthalle gelandet, um die unumstrittene Hauptrolle im Little Shop of Horrors zu spielen. Das Junge Musical Hamburg hat das Stück in einer deutschsprachigen Neuinszenierung auf die Bühne gebracht.

Und so nimmt das tragische Schicksal vom Aufstieg und Fall des geborenen Verlierers Seymor Krellbourne wieder seinen Lauf. Audrey Zwo bringt ihm Erfolg, Reichtum und letztlich die Liebe von Audrey, dem wasserstoffblonden Dummchen, das zu ihm paßt. Ein Musical als Opium für Versager; Erfolg hat demgemäß seinen Preis, und der ist hier hoch. Semour muß seine Seele verkaufen, denn die anfangs so niedliche Pflanze will gefüttert werden, und zwar mit viel, viel Menschenblut.

Die Inszenierung von Lutz Seelig bleibt dem klassischen Vorbild treu, bereichert es aber um zahlreiche kleine Gags. Dabei wird die verkommene New Yorker Vorortstraße Skid Row bis in die Zuschauerränge verlängert. 20 Darstellerinnen und Darsteller verwandeln das Low-Budget-Musical mitunter in eine durchchoreographierte Monumentalaufführung, lenken so aber auch von der Handlung ab. Abgesehen von zwei überzogen zotigen Komparsen überrascht dabei die schauspielerische Leistung des fast nur aus Amateuren bestehenden Ensembles. Besonders die Hauptrollen sind hier mit Franziska Rötting (Audrey), Tom Kajaba (Seymor) und Eddy Will als durchgeknallter, sadistischer Zahnarzt Dr. Orin Scrivello überzeugend besetzt. Perle unter den Nebenrollen ist Kambis Nassiri als Radiomoderator und masochistischer Patient.

Deutliche Schwächen zeigt hingegen die musikalische Umsetzung. Nur „Audrey“ Franzika Rötting und „Audrey Zwo“-Sänger Jan Melzer werden dem auch preislich professionellen Anspruch der Feierabendgruppe stimmlich gerecht. Alle anderen scheinen mit ihren Soloparts überfordert zu sein. Aus dem Orchestergraben begleitete die Skyliner Bigband das Spektakel. Sie ist beinahe genauso groß wie die Schauspielgruppe, mit ihren Blechbläsern manchmal aber leider etwas lauter, so daß einige Gesangspassagen sich unfreiwillig in Backgroundklänge verwandeln.

Spritzigkeit und Witz trösten jedoch über so manche Unsicherheit hinweg. Gegenüber seiner vorherigen Inszenierung des Little Shop of Horrors hat sich das Junge Musical Hamburg damit der Professionalität weiter angenähert.

Werner Hinzpeter

Markthalle, bis 29.8., außer dienstags, je 20 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen