piwik no script img

Süße Geschichte

■ Karstadt am Hermannplatz stellt das Olympiastadion und den "Einmarsch der Olympiamannschaften 1936" in Marzipan aus

„Wirtschaft für Olympia – Berlin kann nur gewinnen“: Mit dieser Kampagne wollen Olympia GmbH sowie Industrie- und Handelskammer (IHK) die Berliner Wirtschaft vom Nutzen der Spiele im Jahr 2000 überzeugen und die Bewerbung der Stadt unterstützen. Die Karstadt AG tut dies auf ganz eigene Weise: Im Eingangsbereich des Restaurants der Karstadt-Filiale am Neuköllner Hermannplatz werden Kunden mit einer Nachbildung des Olympiastadions und des Einmarsches der Olympiamannschaften 1936 aus Marzipan beglückt.

Die Megatorte, die sich in einer Glasvitrine von 1,50 Meter Länge und einem Meter Breite befindet, ist eine Gabe der Süßwarenfirma „Hachez“ und wurde von der Karstadt-AG mit der offiziellen Fahne für Olympia 2000 drapiert. Auf einem Schild steht zu lesen: „10.000 handbemalte Figuren sehen den Einmarsch der Olympia-Mannschaften im Jahre 1936 in Berlin.“ Die Olympia-Mannschaften selbst werden mittels eines elektrischen Laufbandes aus dem Olympia-Tor in das Oval der Aschenbahn geleitet. Kritische Anmerkungen zu den Umständen der Spiele 1936 fehlen in diesem Ensemble vollständig.

Aus der Karstadt-Pressestelle hieß es gestern dazu, eine Verbindung der Olympischen Spiele 1936 mit dem Nationalsozialismus könne heutzutage nicht mehr gesehen werden. Vielmehr seien die Spiele damals eine „wertfreie Sportveranstaltung“ gewesen. Die Geschäftsführung des Unternehmens mit sieben Filialen in Berlin sieht dies offenbar genauso: „Wir haben die Olympia-2000-Fahnen aufgebaut, die ganze Stadt ist geflaggt, und wir hatten die Gelegenheit, die Plastik der Firma Hachez aufzustellen“, erklärte Karstadt- Geschäftsführer Rainer Schieholz gegenüber der taz. Schieholz weiter: „Ich sehe keine Verbindung mit dem Nationalsozialismus, außerdem war ich 1936 noch gar nicht geboren und habe deshalb mit dieser Vergangenheit nichts zu tun.“ Die einzige Verbindung, die es gebe, so Schieholz, sei die Tatsache, daß sich Berlin nun wieder für die Olympiade 2000 bewerbe.

Als „Propagandashow für die Nationalsozialisten“ bezeichnete dagegen der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Jerzy Kanal, die Olympiade 1936. Gegenüber der taz versicherte er, die Plastik in Augenschein zu nehmen und bei der Karstadt-Geschäftsführung vorstellig zu werden. Der stellvertretende Sprecher der Berliner Olympia GmbH, Reinhard Heitzmann, betonte, daß Karstadt kein Lizenznehmer der Olympia-Marketing-GmbH sei. Aus dem Senat hieß es, daß man grundsätzlich nicht daran glaube, daß eine Marzipantorte der Berliner Bewerbung schaden könne. Uwe Rada

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen