Betr.: Stewart Granger

Versucht man, sich sein Bild in Erinnerung zu rufen, legen sich immer andere darüber: Sah er aus wie Errol Flynn? Nicht ganz. Oder wie Lex Barker? Weit gefehlt! Wo Errol Flynn sein Robin- Hood-Charisma aus einem wirklichen Leben als charmanter, stets solide alkoholisierter Abenteurer bezog, da fiel Stewart Granger eigentlich immer weich. Wo Lex Barker ein Shatterhand war, da war Stewart Granger ein Surehand, für den bezeichnend ist, daß er seine Karriere als Filmschauspieler mit einer Gastrolle in der deutschen Fernsehserie „Das Erbe der Guldenburgs“ beendete. Selbst den Namen, mit dem er geboren war, James Lablanche Stewart, trug schon jemand anderes.

Woran Granger erinnert, das ist vor allem ein verlorenes Genre: Der Mantel-und-Degen-Film der Fünfziger, der mit seinen Kostümen, den galanten Marquis und den romantischen swashbucklers (das ganze Genre hieß so in Hollywood, nach der Bewegung des Ausweichens vor einem Degenschwung) aus dem 19. Jahrhundert herübergrüßt. Frühes Dandytum, Sarabanden, amouröser Wagemut und operettenhaftes Ambiente sind die Ingredienzen dieser Abenteuerfilme, und man tut sich schwer, in „Indiana Jones“ würdige Nachfolger zu sehen.

Ein abgebrochener Medizinstudent, bespielte der Ingenieurssohn zunächst kleine Provinzbühnen, bevor er an die Londoner Westendtheater vorstoßen konnte. Wirklich schlecht ist es ihm nur im Krieg ergangen. Als Infanterist bei der „Black Watch“ wurde er so schwer verwundet, daß er zwei Jahre in Kriegslazaretten verbringen mußte. Granger muß sich ziemlich schnell wieder gefangen haben, denn schon in den späten Vierzigern machte er sich einen Namen als galanter Draufgänger (häufigstes Motiv: Küße auf efeuumrankten Veranden.) Schon 1949 waren die MGM-Studios auf ihn aufmerksam geworden, und blitzschnell avancierte er zum zweiten Mann im Abenteuerfach neben Errol Flynn. Am bezeichnendsten für ihn selbst wie auch für die Fünfziger-Jahre- Variante des Genres war „Scaramouche“ (1952), ein Remake des 1921 erstmals verfilmten Romans um einen Edelmann zur Zeit der Französischen Revolution. Während die Version von 1921 die Revolution in den kräftigsten Farben schildert, ist sie dreißig Jahre später zur Hintergrundsmusik zusammengeschnurrt. Wo sich 1921 der Bösewicht noch als Vater des Helden herausstellt, wird er in den Fünfzigern zum Halbbruder. Granger spielt den Playboy André Moreau, der von seinem unbekannten Vater ausgehalten wird. Der Vater stirbt, die Geldquelle versiegt, und André zieht aus, seinen Ursprung zu suchen, natürlich nicht, ohne unterwegs auf die bezaubernde Aline de Gavrillac, alias Janet Leigh zu treffen. Das Amerikanische an dieser Variante besteht darin, zu beweisen, daß ein Edelmann sich in Jeffersonscher Manier durchaus auch einmal auf die Seite der Revolution schlagen kann, wenn's der Zinsesfindung dient, und daß er gleichzeitig „einer von uns“(und zwar der Beste) sein kann.

Hochausstaffierte Abenteuerfilme wie „Robin Hood“ oder „Das Dschungelbuch“, aufwendige Historienschinken (Kleopatra, Spartacus, Lawrence von Arabien) und „Indianerfilme“ läuteten den Todeskampf des Kinos gegen das Fernsehen ein, das schon in den frühen Sechzigern ein Millionenpublikum von der Straße zurück in die Wohnzimmer holte. Als wollten sie die Weite des Raums an sich gegen die bürgerliche Enge verteidigen, griffen die Abenteuerfilme immer mehr aus. Die Helden kreuzten die Meere, durchzogen die Wälder und lieferten sich gigantische Schlachten in der Wüste Nevadas. MGM, Grangers Hauptarbeitgeber, war mit dieser Strategie tatsächlich in der Lage, die größten Einbußen abzufedern.

Auch in Deutschland setzte das Kino auf die rauhe Natur als Schauplatz hübscher Technicolorierter Karl-May-Verfilmungen. „Unter Geiern“ (1964), „Der Ölprinz“ (1965) und „Old Surehand“ (1965) waren zugleich Stewart Grangers letzte große Auftritte vor seinem Karriereknick.

In den siebziger Jahren zog er sich, von einigen Fernsehauftritten abgesehen, ins Immobiliengeschäft zurück. Für den inzwischen debonair Graumelierten war aber, das merkte man deutlich, der Fernsehraum zu klein; er wirkte wie ein Salonlöwe. Am Montag starb Stewart Granger in einem Krankenhaus im kalifornischen Santa Monica im Alter von achtzig Jahren nach einem langen Krebsleiden.mn

Szene aus „Scaramouche“(1952) Foto: Citadel Press