■ Schöner Leben
: Der weiße Laie

Darf man heute eigentlich noch aus freien Stücken Dilettant sein? Also auf Gebieten, die einen quasi nicht interessieren? Selbstverständlich, hör' ich Sie sagen, schließlich gibt's genug von denen, die alles machen, so gut es eben geht, also schlecht. Der Dilettant kauft zum Beispiel Schmand. SCHMAND. Dabei muß man creme fraiche kaufen. Dann trinkt der Dilettant auch manchmal Wein, natürlich ohne oberbetonte Samtpfote in der Kopfnote und ohne fruchtig ausgereizte Tiefe im Mundbereich.

Der Dilettant weiß einfach nicht, wie man das Leben zubereitet und legt im Geist Löffelbiscuits unter Frischkäse, wenn er an Tiramisu denkt. Gut, daß der Dilettant Freunde hat, die alles können. Die ihren in Frankreich selbstgefundenen Bordeaux derart im Munde zermümmeln, bis unserm Dilettanten langweilig wird, so daß er aufs Klo geht. Kennste einen, kennste dann nicht alle?, denkt er dort vorsichtig und versucht nach dem Klo, ein bißchen mitzumümmeln.

Wenn unser Dilettant von seinen Freunden zum Essen eingeladen wird, kann er endlich lernen! Etwa, wie man als Mann des Hauses in der vollchromatisierten Großküche die hohe Kunst der hauseigenen Lasagne-Produktion zelebriert. Die Gattin faltet derweil die selbstgeschöpften Servietten; und wie von selbst fällt der Blick des Dilettanten auf die selbstgemalte Kunst an den Wänden, ebenfalls professionell von der Gattin erstellt, denn Geschmack, ist er erstmal vorhanden, macht ja vor nichts halt.

Nach solchen Abenden kommt unser Dilettant erstaunlich erschöpft nach Hause. Was hab' ich nicht alles gelernt, denkt er aber glücklich. Und fällt ins Bett, um etwas Laienhaftes zu träumen. Claudia Kohlhase